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Model, Freak & Feministin – Ina Holub

Das Wort „Fett“ und die Einstellung zum eigenen Körper standen im ersten Teil unseres Gesprächs mit Ina Holub im Mittelpunkt.

Heute könnt ihr mehr über das Model und die Bourlesquetänzerin Ina Holub erfahren. Bobby hat sich mit Ina in ihrer Vintage Boutique „Extraschön“ getroffen und mit ihr darüber gesprochen, wieso sie nicht alle Modeljobs annimmt, sie auch für einen Freak gehalten wird und warum Abnehmen als Leistung gesehen wird.

Zu guter Letzt: Was Ina der jüngeren Generation mitgeben möchte…..

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(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

Körperlichkeit ist ja auch beim Modeln ein wichtiges Thema. Du modelst aber noch nicht so lange, oder?

Nein, noch nicht lange. Es hat dadruch begonnen, dass ich im Laden angesprochen worden bin und gefragt worden bin ob ich nicht mal Lust habe Fotos zu machen. Dann hab ich Agenturen durchgeschaut. Es war schwierig eine Agentur zu finden. Die, die Plus Size Models hatten, haben mir nicht gefallen. Mir hat eine gefallen, die eigentlich gar keine Plus Size Models hatte (lacht), die haben mich dann aber genommen.

Meine Hauptsache ist aber der Laden, ich arbeite als Model nicht so viel. Ich wäre aber dafür auch offen, ich bin halt ein spezieller Typ und nicht sehr kommerziell. Ich bin auf eine nicht allzu klassische Weise hübsch. Das mag ich an mir, aber danach wird nicht immer gesucht. Modeln ist auch ein Beruf den ich nicht uneingeschränkt gut finde.

Inwiefern?

Ich bin ein sehr politischer Mensch und hinterfrage dadurch viele Dinge auch dahingehend. Einerseits finde ich natürlich die Sichtbarkeit durch Plus Size Models super und würde am Liebesten jeden Job annehmen und mitmachen nach dem Motto „Je mehr Dicke desto besser..“ Andererseits ist es natürlich am Ende des Tages eine Vermarktung von Körpern und von vermeintlichen Idealen. Plus Size Frauen dürfen dann aussehen wie Plus Size Models, aber dann sind halt schon wieder total viele ausgeschlossen. Viele Kampagnen habe ich abgesagt, weil viel Sexismen dabei waren. Da musst du dich halt entscheiden, was dir wichtiger ist: das Standing, die Sichtbarkeit von Plus Size Frauen oder kannst du auch zu dem Job, zur Kampagnen, zum Unternehmen stehen. Da hadere ich manchmal. Das ist für mich schon manchmal schwierig.

"Extraschön": Vintage- Accessoires

„Extraschön“: Vintage- Accessoires

Plus Size beginnt ja bei 40..Plus Size Models sieht man maximal bis zur Größe 46…?

Da wird die Luft aber schon sehr dünn, da musst du schon sehr gut im Geschäft sein um mit 46 noch dabei zu sein, da wird es schon schwierig und dann kommt Shapeware ins Spiel. Die ist der Teufel, weil dann ja erst recht wieder ein falsches Bild gezeigt wird.

Du bis ja trotzdem nicht dünn, du bist ja trotzdem dick, so geshaped kann ja gar nix werden…

Wenn ich Events, Modeschauen organisiere, dann gibt es für die Models keine Shapeware, die sind dann immer ganz erstaunt.

(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

Weil du gerade von Events sprichst, du hast im Februar 2016 eine Modenschau in Berlin organisiert und machst auch sonst viel in der Stadt an der Spree. Ist da ein besseres Pflaster für deine Arbeit?

Ja. Ich finde es zwar schwierig, wenn sich in einer Stadt an nur einem Ort Kultur und Subkultur treffen, das ist in Berlin schon der Fall, aber es wird halt alles von einander angezogen.

In Wien ist es viel schwieriger mit meiner Arbeit anzukommen. In Berlin ist mehr Markt dafür da, die reagieren tendenziell schon besser auf Plus Size Burlesque. Wobei bei meinem letzen Burlesque-Auftritt in Berlin kam ein Feedback wie: „Super Show, aus Berlin kennt man ja so freakige Sachen,“ und dann ist mir bewusst geworden, dass dieses vermeintliche besser damit klar kommen vielleicht nur so ein Ding ist wie „diese Art von Freakshow“, und damit ist ja klar was ich dann bin, kennt man halt in Berlin. Das sagt ja schon viel aus. Das hat mir Wertschätzung nichts mehr zu tun. Da stellt sich mir die Frage ob es nicht schon authentischer ist, wenn sich Wiener denken: „Na servas, die ist aber blad“ (lacht).

Mehr Anfrage und Resonanz kommt aber aus Deutschland.

Hast du in Wien schon einmal eine Modenschau gemacht, ein Event?

Nein.

Aber Burlesque schon?

Ja, ich bin aber überall immer nur einmal gebucht worden. Meine Art von Burlesque unterscheidet sich aber sicherlich von dem klassischen, heteronormativen Burlesque. Ich weiß, dass es sehr viel mit meinem Körper zu tun hat und der Art wie ich das kommuniziere. Weil ich die vermeintlichen Makel von mir, wie meine Dellen, meine Zellulite, ganz bewusst inszeniere, in Szene setze.

Deine Kunst liegt also auch in der Provokation, die dann auch extreme Reaktionen hervorruft?

Ja, aber ich finde wenn man schon so unterrepräseniert ist, und im Burlesque sind dicke Frauen unterrepräsentiert, dann ist Provokationen, auch wenn ich diese nicht immer brauche, ein sehr probates Mittel. Ich bin auch aus feministischer und politischer Überzeugung heraus grundsätzlich gerne laut und provokativ. Für mich macht es Sinn so zu sein.

Für mich ist das beim Burlesque so wie bei dem Thema Mode von vorhin. Ich kann zeltartige Klamotten tragen um alles zu verstecken, aber ich bin ja trotzdem dick und so ist es auch beim Burlesque. Ich habe Dellen, ich bin fett und die Leute schauen ja sowieso. Also gehe ich ganz offensiv damit um. Damit sage ich auch: „Du kannst mich nicht damit verletzen oder beleidigen mir alle meine Dellen zu zeigen, ich weiß wo die sind, ich kenne sie und zeige sie.“

Klar das muss man mögen, auch als Publikum.

 

Inas Boutique "Extraschön"

Inas Boutique „Extraschön“

Weil wir gerade beim Thema sind. Bodypositivity ist ja auch ein ganz großes Thema für dich. Wie ist da z.B. dein Verhältnis zum Thema Diäten und wie man mit seinem Körper umgeht?

Also Diäten und gut mit seinem Körper umgehen sind zwei Straßen, die sehr weit auseinander führen. Die sehen einander schon nicht einmal mehr diese Straßen, soweit sind sie voneinander entfernt. Wer abnehmen möchte oder muss, da gibt es sicher Wege, wie Ernährungsumstellungen. Es ist einfach erwiesen, dass Diäten als solches nichts bringen, da gibt es auch Studien dazu. Es ist einfach für den Körper ein Wahnsinn, auch für die Psyche. Ich kann selber sagen, dass es natürlich bewertet und sofort positiv konotiert wird wenn du abnimmst.

Ich merke es bei mir, ich wiege heute weniger als vor zwei Jahren, aber nicht weil ich bewusst abgenommen habe, es ist einfach so passiert und mir wäre es nicht einmal richtig aufgefallen. Aber wieviel darauf reagiert wird – und immer nur positiv. Es wird nie gefragt ob es mir schlecht geht und ich deshalb abgenommen habe, sondern es kommen Kommentare wie: „Boah siehst du super aus“, „Richtig hübsch bist du geworden.“ Die Leute denken sie machen ein Kompliment, machen aber eigentlich den größten Wahnsinn… Diäten absolut nein.

Abnehmen ist also eine Leistung?

Ich würde sogar sagen Abnehmen ist DIE Leistung. Weil das, was ich tagtäglich an Arbeit in meiner Boutique leiste ist ja keine Leistung. Ich arbeite manchmal bis zu 90 Stunden in der Woche und dann nehme ich fünf Kilo ab und die Leute gratulieren mir zum Abenehmen…was soll denn das sein…

Wieso nicht: „Wahsinn wieviel du für deinen Laden leistest und für deinen Blog.“ Wieso: „Du bist toll weil du abgenommen hast..“

Menschen verlieren ja auch Gewicht aufgrund nicht so positiver Dinge, aber wenn ein dicker Mensch abnimmt das kann nur gut sein,das kann nur Gutes verheißen.

Das Kommentieren finde ich so furchtbar. Der Körper der Frau ist etwas was von jedem immer und überall kommentiert werden darf. Warum eigentlich, da habe ich keine Lust drauf.

Das ist jetzt eine schwierige Frage weil es ein sehr weites Feld ist. Aber was glaubst du, woher kommt das eigentlich, dass das Körperbild so ist wie es ist?

Da kann man natürlich sehr viele Ansichten haben, es ist ein weites Feld. Aber ich finde, dass Körperpolitik und Feminismus bzw. Antifeminismus sehr zusammenhängen. Dem liegt immer auch ein gewisser Frauenhass zu Grunde. Zu denken, dass der Körper einer Frau etwas ist über das ich urteilen darf. Nein, das ist nicht in Ordnung. Ich kann es gut oder schlecht finden wie eine Frau mit ihrem Körper umgeht, aber ich gehe dann doch nicht zu der Person sagen: „So und so sehe ich das und du bist deshalb weniger gut…“ Diese Bewertung und das Absprechen von Komptenzen ist für mich Frauenhass.

Ina und Bobby

Ina und Bobby

Du sagst auf deinem Blog und in Interviews, dass man obesity (dt.: Fettleibigkeit) auch nicht zusehr propagieren sollte, weil es in eine ungesunde Richtugn gehen kann.

Ich finde es genauso schwierig, wenn dünne Frauen sagen nur das ist zu feiern, wie wenn dicke Frauen sagen, nur das ist zu feiern. Was ich mag, und da bin ich auch total d’acorrd mit den Frauen, egal wie dick oder dünn, ist wenn sie sagen, sie feiern sich, egal was die Gesellschaft dazu sagt. Da bin ich voll dabei zu 100 %. Ich finde es nur dann schwierig, wenn das Eigene als das einzig Wahre hingestellt wird. Begriffe wie Hungerhaken finde ich genauso falsch wie Beleidigungen von dicken Menschen. Das ist so wie zu dicken Frauen zu sagen „eine Frau mit Format“, auch dünne Frauen können Frauen mit Format sein, das ist ja nun nicht gewichtsspezifisch.

Genau so ist es mit Voruteilen gegenüber dicken Menschen: Zum Beispiel beim Thema Sport. Dicke Menschen machen einfach keinen Sport, das geht doch nicht, sie essen lieber die ganze Zeit. Ich hatte einmal einen Theaterjob, der körperlich anstrengend war, aber es ging mir absolut gut damit, ich war fit. Ständig wurde ich aber gefragt ob ich nicht hungrig bin und essen und eine Pause machen möchte. Oder aber beim Thema Beziehung, Liebe, wenn dünne Menschen mit dicken Menschen zusammen sind heißt es oft: „Stehst du auf Dicke?“ Ich selber habe eine dünne Freundin..

Wie ist eigentlich die Akzeptanz von Paaren bei denen eine Person dick und die andere dünn ist innerhalb der Queer-Community?

Das ist auch innerhalb der Queer-Community ein schwieriges Thema. Die Akzeptanz, dass eine dicke Frau mir einer dünnen Frau zusammen sein will und kann fehlt da oft.

Wie hättest du denn gerne, dass dein Körper in der öffentlichen Wahnrnehmung dargestellt wird?

Ich hätte gerne ein authentischeres Bild von Körpern. Erschreckend und traurig wie einfach es sein könnte. Ein Beispiel ist Zellulite, die siehst du einfach nirgends bei Frauen in der öffentliche Wahrnehmung, der Werbung, aber ist nun mal so, dass es sie gibt. Einfach den Körper zeigen wie er ist. Es müssen ja nicht nur mehr überall dicke Frauen sein, oder nur Frauen sein, aber eben ein realistischers Bild. Selbst die Frauen auf den Werbeplakaten sehen nicht aus wie die Frauen auf den Plakaten…

In der öffentlichen Wahrnehmung ist eine dicke Frau mit Größe 48+ immer noch das Schlimmste, der schlimmste Aufreger überhaupt.

Inas Boutique "Extraschön"

Inas Boutique „Extraschön“

 

Wo bekommst du deine Sachen her? Wo kaufst du ein?

Ich kaufe ausschließlich Second Hand und Flohmarktsachen.

Wenn du jungen dicken Mädls und Jungs etwas mitgeben könntest, was wäre das?

Erst mal würde ich mit ihnen ein Schnitzerl essen gehen und mir hätte ein simples: „Du bist gut und wertvoll und hübsch genauso wie du bist“, gut getan. Wenn du dich wohlfühlst dann bitte bleibt genau so und wenn du dich nicht wohlfühlst dann finde einen gesunden Weg so wie es für dich super ist.

Sei dir bewusst, es gibt unendlich viele Frauen und Männer, die sich so fühlen wie du, die das erlebt haben was du erlebt hast, du bist nicht allein. Was mir wichtig gewesen wäre, wäre es ernst genommen zu werden. Ja du hast nicht nur das Gefühl, dass dich Menschen beobachten und bewerten. Aber du bist nicht schlecht, nur weil andere dir das Gefühl geben wollen.

Was mir geholfen hat ist Burlesque, weil es dir erlaubt dich selbst sinnlich zu erleben. Es verbindet dich mit deinem Körper, auch auf sexuelle Weise, aber nicht nur. Es zielt nicht auf Workout ab, sondern darauf mit sich selbst gut umzugehen. Und ganz wichtig: schöne Unterwäsche. Ich rede hier nicht von Shapeware, sonder wirklich von schöner Unterwäsche. Das zu investieren, in sich zu investieren, es sich wert zu sein ist so wichtig. Das fühlt sich einfach gut an und macht etwas aus. Sich einfach mehr selber zu zelebrieren.

Was innerhalb dieses Prozesses seinen Körper kennenzulernen auch hilfreich ist: Sex mit sich selber zu haben. Das ist, und ich beziehe mich hier speziell auf Frauen, für dicke Frauen oft ein Problem. Das ist negativ behaftet.

 

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Liebe Ina, vielen, vielen Dank für deine Zeit! Noch viel Erfolg für all deine Projekte und Ideen.

 

Wer jetzt mehr über Ina und Ihren Vintage Shop „Extraschön“ erfahren möchte:

https://inaholub.com

https://inaholub.com/extraschon/

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

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