Vor einigen Wochen habe ich den, in London geborenen und in Israel aufgewachsenen, Plus Size Designer Adam Brody in seiner Boutique in Zürich besucht und mit ihm über Plus Size in Israel und der Schweiz, seine Leidenschaft für Stoffe, den Luxus des Shopping und darüber was Plus Size Frauen wirklich verdienen gesprochen.
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Seit wann interessierst du dich für Mode?
Schon in der High School gab es da diese kleine, noch leise, Idee und dann mit 21 nach dem Militärdienst war ich fast zufällig in der Modeschule in Tel Aviv. Damals mussten wir noch das Anmeldeformular kaufen. Erst war ich unsicher, ich als Bauernbub in der großen Stadt, aber dann habe ich das Formular doch gekauft und alles auf eine Karte gesetzt und mir gesagt: „Ich mache die Aufnahmeprüfungen und wenn die finden, dass ich passe dann mache ich die Schule auch.“ Und dann habe ich den ersten Test gemacht, dann den zweiten und plötzlich habe ich mich unter den 25 Aufgenommenen, aus 400 Bewerbern, in der Modeschule wiedergefunden.
Natürlich bin ich geblieben und habe mir gesagt, solange ich mich wohl fühle und bei den oberen 5 oder 10 in der Klasse bin, dann bleibe ich.
Also war es eine Mischung aus Zufall und Ehrgeiz?
Ja, es war schon auch Zufall, aber man muss eben etwas daraus machen.
Du bist in London geboren und in Israel aufgewachsen, beeinflusst das deine Mode?
Nein, der englische Teil nicht, da war ich noch zu jung, zu klein. Was viel mehr beeinflusst hat war die Schulung in Israel, israelisches Temperament ist sicher ein bisschen dabei. Andererseits habe ich auch in Zürich ein Praktikum gemacht und danach woanders in einem sehr gehobenen Designumfeld gearbeitet, das hat nicht nur meine Art Bekleidung zu sehen sondern auch mich menschlich geprägt.
Wie ist der Kleidungsstil in Israel, wie ziehen sich Frauen dort an?
Es ist sehr warm dort. D.h. Leichter, farbiger, lebendiger, temperamentvoller, ein bisschen sexier. Die Straße ist sehr viel ungepflegter. Einfach „taking it easy“ weil man hat viel wichtigere Sachen zu tun. Wir haben hier in Europa richtig viel Energie und Zeit für das Aussehen, aber wenn man politische, finanzielle, lebensbedrohende Belastungen hat, dann spielt es viel weniger Rolle ob ich die Haare noch schön mache oder ob der Nagellack noch glänzt oder nicht.
Es gibt eine Spannung, Israel könnte ein Fashion Paradies sein, weil die Leute mutig sind und viel Lebensfreude haben und Sexappeal in jedem Alter und jeder Größe haben. Das Temperament ist extrem und Mode hat auch viel mit dem Temperament zu tun.
Das gilt auch für die Plus Size-Frauen in Israel? Die sind genau so mutig?
Das würde ich mir wünschen (lacht). Die Szene ist sehr mutig und sehr präsent aber es gibt dort auch wahnsinnig viel zum Weiterentwickeln und aufzubauen. Aber es tut sich einiges, es passiert viel. Es gibt plötzlich wahnsinnig viele DesignerInnen mit eigenen kleinen Plus Size Labels, es gibt viele Verkauf-Events. Es gab vor einiger Zeit z. B. in einer Boutique ein Fotoshooting nur mit Badeanzügen und auffälligen Blumenkronen im Haar.
Mode in Israel und Mode in der Schweiz – gibt es modisch gesehen einen sehr großen Unterschied?
Ja.
Beeinflussen dich Trends?
Trends weniger. Was mich am meisten beeinflusst ist, dass die Boutique und das Atelier in einem Raum sind. Du siehst, dass der Laden hier aufhört und sofort das Atelier beginnt. Die Kundin steht also auch gleich in meinem Atelier. Sie sieht einen Prototyp und sagt, das will ich – das beeinflusst mich und meine Arbeit viel mehr als Trends.
Trends sind mir zu wild zu schnell.
Was mir wichtig ist, dass die Kleidung langlebiger ist von der Qualität, vom Stil, von der Aussage, vom Charakter. Fast Fashion ist nichts für mich.
Es hat also auch etwas mit Nachhaltigkeit zu tun.
Ja, genau. Das ist meine Art Nachhaltigkeit. Ich glaube fest an Superstoffe und ob das Seide, Baumwolle oder Polyester in Spitzenqualität ist, ist mir gleich, das ist alles ok. Ich stehe gerade sehr auf japanisches Polyester. In Japan findet man neue Wege zur Produktion von Polyester – eine Kombination aus altem Know-how und moderner Produktion. Super Sache, manchmal ist japanischer Polyester teurer als Luxuswolle oder Luxusseide. Aber es ist es wert und du kannst das Material waschen, ewig, die Waschmaschine stirbt sicher lange vor dem Shirt.
Gibt es eine Plus Size Community in der Schweiz?
Nein, es gibt keine Community in der Schweiz.
Wie ist die Schweizer Plus Size Kundin?
Gorgeous (lacht). Manche Kundinnen laufen hier rein und die Kleidergröße ist nur ein technisches Thema – die haben ihre eigene Art, ihren eigenen Charakter und die Größe ist nur ein technisches Detail. Manche kommen herein und sagen gleich ich habe Größe 48/50. Ich denke dann „so what“..wichtig ist doch was du siehst und dir gefällt. Nicht die Größe.
Ist es nicht so, dass in vielen Läden stark nach der Größe entschieden wird und das Kundinnen eben von dieser Erfahrung geprägt sind? Dass Größe eben doch sofort eine Rolle spielt.
Natürlich, dann hast du keine Wahl. Einerseits hast du keine Wahl und du musst zum Große Größen Anbieter Adam Brody andererseits wenn du schon hier bist dann musst du dich schon umstellen. Ich bin schon in so einem Traumland, ich kann nach den Bedürfnissen meiner Kundinnen gehen. Z. B.: Ich bin Polyesterallergisch, was gibt es anderes, was kann ich hier finden… Das Ziel ist es hier eine Oase, eine Stiloase zu bieten die sich an die Bedürfnisse der Kundinnen anpasst.
Dann gibt es auch den Fall, dass ich ein Kleidungsstück, das bis Größe 54 geht für eine Kundin in Größe 34 schneidere. Also: Adam geht Barbie (lacht). Es ist natürlich schwer zu begreifen, weil nicht die ganze Welt so tickt aber wenn „Style has nothing to do with size than style has nothing to do with size“ („Wenn Stil nichts mit der Größe zu tun hat, dann hat Stil nichts mit Größe zu tun“ – Übersetzung)
Was ich uns allen wünsche ist, dass du aussuchen kannst, nicht dass du nehmen musst was es eben gibt – ihr verdient mehr.
Es geht ja auch darum was du brauchst, was dir gefällt, wie du lebst, worauf du Lust hast. Darauf können wir Rücksicht nehmen.
Das heißt deine Mode passt sich den Frauen an und nicht die Frauen müssen sich deiner Mode anpassen?
Ich bin ein Dienstleister. Ich biete nur an was auch mir gefällt, aber ich bin ein Dienstleister.
Ist das nicht eine ungewöhnliche Einstellung für einen Designer?
Vielleicht. Ich bin ein Bauernbub, eine Ehemann, ein Vater von zwei Kindern, ich habe meine Art und meine Kleider haben auch meine Art. Aber meine Kleider sind nicht für mich gemacht sondern für die Trägerin und wie diese meine Kleider trägt bleibt ihr vorbehalten. Ich kann helfen und beraten so gut ich kann. Aber am Ende ob du das auf einen Bügel schön aufhängst oder neben dein Bett schmeißt, das ist deine Sache. Wie du das Kleidungsstück trägst und kombinierst ist deine Sache.
Ich verkaufe natürlich ein Stück von meiner Seele (lacht), aber in dem Moment in dem du es gekauft hast, gehört es dir und du kannst damit machen was du möchtest.
Warum designst du für Plus Size Frauen?
Wegen meiner Frau. Ich designe natürlich nicht nur für meine Frau, aber durch sie habe ich gesehen welche Bedürfnisse es in der Modewelt gibt. Ich werde häufig gefragt wieso ich für Plus Size designe, man fragt nie wieso die anderen das nicht machen. Es macht keinen Sinn eigentlich.
Ich arbeite mit dem Menschen der Bedürfnisse hat und Charakter, Geschmack und nur irgendwo nachher mit der Größe, das ist ein technischer Dienstbegriff.
Mir wird oft vorgeworfen, dass ich ein „Fettischist“ sei, weil ich mit einer Plus Size Frau verheiratet bin und für Plus Size Frauen designe. Aber was bedeutet das, wenn meine Frau abnimmt liebe ich sie weniger, wenn sie zunimmt liebe ich sie mehr (lacht)?
Weil du von Technik gesprochen hast. Musst du auf etwas Spezielles achten wenn du für Plus Size entwirfst?
Es gibt einfach mehr Formen als bei kleineren Größen. Es gibt keine No Gos, aber Schwierigkeiten. Rückenfrei ist z. B. technisch schwieriger, weil Plus Size Frauen eher einen BH tragen müssen. Ist das eine Designgrenze ja, stört es mich – nein.
Ich glaube nicht, dass mir Designtabus im Weg stehen. Die sind auch sehr gefährlich, weil in zwei Jahren tragen wir dann die Designtabus von vor zwei Jahren. Ob das Tragen von Weiß oder die Fragen ob Horizontalstreifen oder nicht, das ist alles egal.
Du arbeitest mit ganz unterschiedlichen Materialien. Gibt es ein Material das du besonders magst?
Nein, ich bin bei Stoffen wie das Klischee von Frauen beim Schuhe kaufen. Ich sehe einen Stoff der mir gefällt und dann muss ich ihn haben. Im Moment liebe ich wie gesagt japanischen Polyester, aber ich reduziere mich ganz bestimmt nicht darauf.
Verhalten sich deine Plus Size Kundinnen anders, als andere Kundinnen, sind sie z. B. eher schüchtern, bringen sie ihre negativen Shoppingerfahrungen mit?
Grob gesagt ja. Mir persönlich tut das unendlich leid und das tut weh, es ist nicht fair. Ja, es ist ein Thema. In meiner Oase ist Plus Size ja ganz normal. Aber es kommt sehr oft vor und tut mir weh, dass Frauen sich so fühlen. Die Gesellschaft hat hier einfach viel zu lange ausgegrenzt und sich falsch verhalten.
Es ist schwierig, weil die Frau vorm Spiegel steht und nicht ihr Spiegelbild sieht sondern die ganze Last von der ganzen Welt weil irgendwer aus irgendeinem Grund etwas zu ihr, über ihr Aussehen gesagt hat. Das kann schon schwierig sein.
Aber dafür die Belohnung wenn die Kundin zufrieden ist und strahlend vor dem Spiegel steht, dann haben wir den Olymp hoch drei erreicht.
Aber das ist work in progress, es verändert sich.
Was ist Stil für dich? Was ist für dich stilvoll?
Charakter ist stilvoll. Stil ist nicht nur Geschmack oder Mode. Was du trägst, wie du es trägst, wie du darin erscheinst, das ist Stil, das ist viel mehr als den richtigen Zweiteiler zu kombinieren.
Stil ist Geruch oder die Aura. Nicht nur was du mitbringst sondern auch was du hinterlässt. Stil ist auch was du sagst und wie du es sagst.
In Österreich gibt es deine Kleidung bei Gaby Wally im Stor> in Wien. Hast du für die Zukunft noch mehr geplant?
Erstens sehr sehr gerne, sehr gern. Es ist auch ein Online-Verkauf geplant. Wobei online ist schon eine andere Sprache, eine andere Art, ein anderer Stil.
Ist es für dich als Designer nicht schwierig online zu verkaufen, weil du z. B. sehr viel Wert auf den richtigen Sitz legst?
Mir persönlich ist es viel lieber wenn du in meine Boutique kommst. Ich glaube es ist auch für dich viel besser wenn du zu mir kommst. Der Luxus des Shopping, das Gefühl, die Kultur auch bedient zu werden, das gibt es online nicht.
Wir werden schon mehrere Teile, die von der Größe her flexibler sind, online anbieten. Ich werde auch gerne Online-Fragen, What’s Apps, Skype-Nachrichten, E-Mails etc. beantworten um gut zu beraten. Natürlich hat der Online-Verkauf da seine Nachteile.
Warum machst du es dann?
Weil die Kunden es wollen. Ich brauche es persönlich nicht, aber es ist ein Trend. Kundinnen die meine Kollektion kennen und die Schnitte, werden es dadurch einfacher haben auch in der Ferne meine Kleidungsstücke zu kaufen. Wir sind eine größere Welt und verknüpfter und so bieten wir auch an.
Wobei ich schon glaube, dass es dir auch bei einer Kleidergröße 50 zusteht bedient zu werden, verwöhnt zu werden. Das ist nicht eine Frage von Größe.
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Lieber Adam, vielen Dank für deine Zeit und dafür, dass ich in deiner modischen Oase besuchen durfte. Viel Erfolg für all deine neuen Projekte!
Andrea Martin
I love your clothes. I think you are a great artist for plus size women. And something important for me is to see your fashion clothes for plus sizes women by models plus size and not with thins. Is not about thins models, is about I love see who my body can see with that clothes. Thank you Adam.
Simone
Beim Namen musste ich gleich an den Schauspieler denken 😉
In der Kollektion sind echt tolle Stücke dabei!