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Freak_Lifeball_Titelbild

Be a freak

Be a freak – in diesem Jahr tummelten sich am 26. und vielleicht letzten Lifeball alle möglichen bizarren Charaktere, Freaks auf die ein oder andere Weise, vereint in Vielfalt. United in Diversity, ein schönes Thema. Ein Freak sein lässt ja viel Raum für Interpretationen. Dabei, so sagte meine liebe Freundin Rhea, besitzt eine dicke Frau, die ihren Körper in einem Kostüm auch noch größer wirken lässt, doch an sich schon etwas freakiges für die Öffentlichkeit. Ein spannender Gedanke, den ich in meinem Kostüm am Abend des Lifeballs nicht aus dem Kopf bekommen habe.

Der dicke Mensch & die Medien

Deshalb habe ich in den letzten Tagen das Internet durchforstet, Zeitungen durchgestöbert und bin zu einer Erkenntnis gekommen. Nämlich der, dass über dick sein und über dicke Körper auf zwei Arten in Print- oder Fernsehmedien berichtet wird. Entweder  wird verteufelt oder gehyped. Dabei gibt es keinen Graubereich, alles ist entweder schwarz oder weiß.

Diese Form der Berichterstattung ist nicht neu und beschränkt sich nicht nur auf den Plus Size Bereich. Allerdings setzt sich hier fort, was in traditionellen Medien in den letzten Jahren immer mehr Einzug gehalten hat.

Dabei ist entweder vom durchschlagenden wirtschaftlichen Erfolg des Plus Size Marktes zu lesen. Von Labels, die so erfolgreich sind, oder aber, wie aktuell im Fall von Nike gut zu sehen, es wird Unternehmen und Personen die Verharmlosung vom „dick sein“ vorgeworfen.  Fettsucht (Obesity) als weltweite todbringende Volkskrankheit.

Freak_Lifeball_Tüllrock

Das WWW als Diversity Change

So stellt sich also die Frage, wo denn nun die langsame (einem Schneckentempo gleiche) Veränderung in der Debatte rund um dicke Menschen überhaupt herkommt. Wieso glauben wir, dass sich etwas verändert? Wie kommt es dazu, das bei Modenschau auf den Laufstegen der Fashion Weeks dieser Welt, zwar wenige aber doch auch diversere Körper zu sehen sind?

Social Media macht es möglich. Das Internet ist ein Türöffner. Zumindest in unserem Fall. Bodypositivity AktivistInnen, Plus Size BloggerInnen, InfluencerInnen dieser Welt tummeln sich in Foren, Feeds und Webseiten und verändern so Sichtweisen oder regen zumindest zum Nachdenken an. Einige schaffen es dann doch auch aus dem WWW hinaus in die (Print-)Medienlandschaft und erzählen in Kolumnen und Artikeln über das Leben als dicker Mensch und versuchen so Vorurteile zu bekämpfen.

Freak_Lifeball

Nicht alles Gold was glänzt

Doch, wie auch so oft im Leben, es ist auch nicht hier alles Gold was glänzt. Denn so sehr soziale Medien auch zum Aufstieg des Themas Plus Size geführt haben, so sehr werden bekannte VertreterInnen des Plus Size Movements oder der BoPo Bewegung mit negativen Kommentaren und unglaublichen Anfeindungen konfrontiert. Dabei schrecken manche sogar vor Todesdrohungen nicht zurück.

Fette Kuh oder hässliches Nilpferd sind dabei noch relativ harmlose Begriffe. So war die englische Plus Size Bloggerin und Influencerin Callie Thorpe massiven Anfeindungen ausgesetzt, nachdem sie in einem Artikel in der britischen Vogue im Bikini zu sehen war.

„I was really proud of it,“ she said of the Vogue story. „And I still am really proud of it. But [then] I scrolled onto some really nasty comments about me that — they were just so awful that I couldn’t even get them out of my mind after I read them. There were 900 comments, and pretty much all of them were vile.“*

So stolz Callie auch auf ihre Bilder in der Vogue war (Hallo…in der Vogue..in DER Vogue, dem Modemagazin schlechthin. Wie cool ist das denn bitte???!!!). Die unglaublichen Kommentare und kruden, menschenverachtenden, körperbeschämenden Kommentare haben die erfolgreiche Bloggerin in eine tiefe Krise gestürzt. Da zeigt es sich dann doch wieder, das Unverständnis für den dicken Körper, für das selbstbewusste Auftreten dicker Menschen.

Dabei wird der dicke Körper meist als Instrument zur Beleidigung und Herabwürdigung eines Menschen benützt. Selbstbewusstsein einer Person mit dickem Körper wird dann als Provokation empfunden. Ist der dicke Menschen doch eher Freak als göttliches Wesen.

Freak_Lifeball_Ganzkörper_Bobby

Be a Freak

Auch deshalb hat mir das Thema für den Lifeball in diesem Jahr so gut gefallen. Denn ich konnte meinen freakigen Körper ganz nach Lust und Laune präsentieren. Dass ich dabei dann mehr Komplimente als für manch anderes Outfit bekommen habe, sei einmal einfach so erwähnt.

Dass ich mich sehr schön gefühlt habe in meinen 18 Lagen Tüll, die mich voluminöser und größer haben erscheinen lassen, muss allerdings doch erwähnt werden. Dazu sei gesagt, mich selbst so übertrieben zu inszenieren ist für mich vollkommen in Ordnung. Ganz bewusst habe ich dabei eine überaus pompöse Frisur, eine Menge Federn und Tüll verwandt um diesen überdimensionalen Effekt zu kreieren. Dadurch nahm ich auch mehr Raum ein. Raum, der dicken Menschen in der Öffentlichkeit oft nicht zugestanden wird.

Denn wir sollen uns lieber kleiner machen, „dünner“ machen, nicht so groß erscheinen, schon gar nicht stolz. Da passt der „Freak“ für viele besser ins Konzept.

Freak_Lifeball_Kostüm

So gar nicht freakig

Wobei ich an diesem Abend am Lifeball nicht wirklich Freaks gesehen habe. Nur eine bunte, lebenslustige Vielfalt an Menschen. Die sich für einen Abend ganz bewusst dazu entschieden haben, aus dem Alltag auszubrechen, sich zu inszenieren, in den unterschiedlichsten Arten.

Dabei ist ein ganz wesentlicher Aspekt bei dem Thema die Freiwilligkeit. Wir sind alle zusammen gekommen um Vielfalt zu feiern, um zu feiern, dass uns diese gesellschaftlich gesehene „Andersartigkeit“ verbindet. Doch das war eine Nacht, ein Event.

Für den Alltag, auch für sonstige Anlässe, gilt das übrigens nicht. Denn ich bin kein Freak, kein Koloss mit überdimensionalen Haaren, die sich immer über sich selbst lustig macht und ihr Volumen auf die Spitze treibt. Ich bin eine Politikwissenschaftlerin, eine Plus Size Expertin, eine Bloggerin, ein Plus Size Model, eine PR-Beraterin, eine Freundin, eine Ehefrau. Kein Freak… Wobei, kein Freak?

Da gehe ich doch abschließend kurz auf die Definition des Begriffes Freak ein und darf Wikipedia anführen:

„Ein Freak [fɹi:k] (aus dem Englischen freak: „Krüppel, Verrückter, Unnormaler“ bzw. freak of nature: „Laune der Natur“, aber auch „Begeisterter“) ist in der heutigen Umgangssprache meist eine Person, die eine bestimmte Sache, zum Beispiel ihr Hobby, exzessiv bzw. über ein „normales“ Maß hinaus betreibt, diese Sache zum Lebensinhalt macht oder sich zumindest mehr als andere darin auskennt (beispielsweise ein Computerfreak). Lebensweise und Lebensführung eines Freaks können sich von der eines Durchschnittsbürgers unterscheiden und bewusst individuell, unangepasst, anders oder „flippig“ sein. Das dazugehörige Adjektiv ist freakig, weit verbreitet ist auch freaky.“

Na wenn das so ist, dann bleibe ich doch lieber unangepasst und beschäftige mich weiterhin mit dem Thema Plus Size und bin eben doch ein Freak ;).

Freak_Kostüme

 

Fotografin: Ursula Schmitz 

*https://www.refinery29.com/en-us/2017/07/164464/body-shaming-comments-callie-thorpe-plus-size-blogger

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

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