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Ina Holub – Burlesque, Blog & Bodypositivity

Wie schon leicht am Titel zu erkennen ist, ist Ina Holub in vielen verschiedenen Bereichen tätig. Als Burlesquetänzerin, als Bloggerin, als Boutiquenbesitzerin oder auch als Model. Dabei immer im Fokus: Bodypositivity.

Curvect hat sich mit dem Multitalent getroffen und mit Ina ein Interview über „fett sein“, Dellen, Diäten und dicke Menschen als Minderheit.

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(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

Du machst sehr viel, Burlesque, bist Bloggerin, bist Boutiquenbesitzerin, Stylistin und Make-up Artistin, Model und trittst dabei auch immer für mehr Körperakzeptanz (Bodypositivity) ein. Wie hat das alles begonnen? Warst du als Kind schon Plus Size?

Ja, immer, ich hab diese Erfahrung nicht „dünn zu sein“. Was es in gewisser Weise leichter macht. Egal wo ich war, egal in welchem Alter, ich war immer die Dickste und meistens auch, die Größte. Das ist natürlich nicht immer einfach, vor allem, wenn dann ev. auch noch Probleme in der Schule dazukommen und davon hatte ich jede Menge.

Bei Schwierigkeiten kann man sich dann nicht einfach unsichtbar machen und in der Menge untergehen, weil es schon allein die Körperlichkeit nicht erlaubt. Wenn du richtig dick bist, dann bist du da.

→ Nur kurz bevor wir weitersprechen: Ich bin sehr gut mit den Wörtern dick und fett. Ich benenne mich so. Ich habe kein Problem damit, auch wenn mich andere so benennen, auch wenn es negativ gemeint ist. Ich sehe den Begriff fett einfach als Adjektiv einer Gesellschaft, der ich aus den unterschiedlichsten Gründen leider, oder Gott sei Dank, nicht angehöre und der negativ konnotiert worden ist. Im Prinzip bin ich eine fette Frau, ebenso wie ich eine schwarzhaarige Frau bin. Das ist mir nur wichtig dazu zu sagen weil es bei Interviews schon öfter vorgekommen ist, dass ich gesagt habe „ich bin eine fette Frau“ und mir dann gleich gesagt wurde: „Nein, nein du hast ja nur Rundungen und du bist kurvig…“. Als ob eine dünne Frau nicht kurvig sein kann. Deshalb fett :).

Für Viele ist der Begriff „fett“ ja noch eine Beleidigung.

Ja, ich merke auch, dass es für viele nicht nur eine Beleidigung ist sondern, dass es auch oft ganz schwierig ist, wenn ich mich selber so nenne. Bei Interviews oder im Job habe ich das öfters erlebt, wenn ich darüber ein Späßchen mache oder es eben einfach in einem normalen Kontext erwähne, dass es schwierig ist oder das Gegenüber sofort das Bedürfnis hat das Wort zu relativieren.

Danke, dass du das dazu erwähnst, da der Begriff schwierig sein kann…

Ich wurde halt wahnsinnig oft damit beleidigt, gerne auch in Kobmination.

Sowas wie fette Kuh..?

Nach fett kann ja sehr viel kommen (lacht) und dadurch war mir auch immer klar, um auf deine eigentliche Frage zurückzukommen, ich kann tun was ich will, alles was ich mache und alles was ich nicht mache wird auf mein Gewicht bezogen. Meine ganzen Kompetenzen und Inkomptenzen, von beidem habe ich genug, wird auf mein Gewicht bezogen und alles was auch Gesundheit und Wissen anbelangt, meine Fähigkeiten, wird darauf bezogen. „Sie kann das und das nicht, weil…“ „Sie kann das bestimmt nur, weil…“ „Sie ist so lustig, weil sie so dick ist…“ „Sie ist so intelligent weil sie sich mit niemandem trifft und deshalb viel Zeit zum Lesen hat..“

Auch ein wichtiges Thema, wer dick ist macht keinen Sport..nie. Wir sitzen rum und Essen Süßigkeiten den ganzen Tag und trinken nur Cola und bewegen uns nicht. Das ist so furchtbar, weil wenn du das den ganzen Tag eingeimpft bekommst dann denkst du irgendwann, ja so ist es, das sind die Rahmenbedingungen in denen ich mich bewegen darf, ok. Dann ist das jetzt scheinbar mein Leben…

Ich habe wahnsinnig früh Diäten gemacht. Ich weiß, dass ich mich ganz früh, mit sieben, bewusst entschieden habe etwas nicht zu essen, weil ich zu dick bin. Das ist ja total irre, mit sieben, das ich mir denke: „Das darf ich mir nicht erlauben“, und das dann auch durchgezogen habe.

 

(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

Woher kamen diese Gedanken in einem, wie du erwähnt hast, sehr jungen Alter? War es zu Hause ein Thema?

Ja, es war zu Hause ein Thema. Es war aber auch überall ein Thema wo ich hingegangen bin, weil ich eben dick war. Es wurde überall angesprochen oder artikuliert. Das klingt jetzt etwas euphitmistisch „angesprochen“, wenn man Beschimpfungen wie „fette Kuh“ als es wurde angesprochen sieht, dann war es so (lacht).

Natürlich war es auch innerfamiliär ein Thema. Da wurde gesagt: „Wenn du nicht willst, dass die dich beleidigen, dann musst du abnehmen.“ Das ist ja eigentlich absurd, einem Kind das so zu erklären. Als ob ich daran schuld wäre. Selbst wenn dick sein ein Grund dazu wäre jemanden zu beleidigen, das ist es absolut nicht, das brauch ich dir eh nicht zu sagen, ist halt auch die Frage ob ein siebenjähriges Kind so ganz allein für sein Körpergewicht verantwortlich ist…

Beleidigungen sollten ja in keinem Fall ausgesprochen werden..

Natürlich das sowieso, aber ich finde es bedenklich welche Verantwortung einem Kind da für seinen eigenen Körper auferlegt wird. Warum soll ich als Kind ein Bewusstsein dafür haben was ich essen darf und was nicht, was Kalorien sind. Allein, dass ich wusste mit sieben was Kalorien sind und was ich nicht essen darf, spricht ja schon Bände. Ich weiß, dass meine Eltern es nicht böse gemeint haben, dass sie wollten, dass ich es innerhalb der Gesellschaft leichter habe. Anstatt mir, wie ich es mir immer gewünscht habe, zu sagen: „Wir lieben dich so wie du aussiehst.“ War es eben so ein: „Wenn du damit unglücklich bist, so wie du aussiehst, dann musst du halt abnehmen.“ Das gibt einem halt auch das Gefühl, die Ablehnung schließt die Eltern mit ein. Auch wenn das vielleicht nicht so war, für mein Empfinden war es so.

Ich war nie in einer Esstörung drinnen, was für mich echt verwunderlich ist. Aber bei mir war dann irgendwann der Punkt gekommen an dem ich mir dachte: „Ok, ich bin ohnehin nicht mehr Teil dieser Gesellschaft“, und dann habe ich angefangen wirklich viel zu essen („wie eine Irre“ – O-Ton).

Wann war das?

Es gab zwei Phasen, einmal mit 14, 15 und einmal mit 21,22, wo ich mir einfach gedacht habe: „So, ihr stellt mich an den Pranger für etwas das für mich ok ist…“ und dann habe ich einfach begonnen dem eins drauf zu setzen. Weil ich gemerkt habe, ich kann dem sowieso nicht entfliehen. Ich kann mich nicht kleiner machen, nicht weniger präsent. Da hab ich einfach begonnen meinen eigenen Stil durchzusetzen. Eher auffällig zu sein und sehr sichtbar zu werden.

Da hat mir auch das Internet sehr geholfen.

Inwiefern?

Über das Internet kann man sagen was man will, auch nicht so Gutes. Aber wenn es einen Vorteil gibt, dann egal welcher Minderheit du angehörst, die gesellschaftlich nicht geachtet wird, hilft es total wenn du ins Internet gehen kannst und weißt nach ein paar Mausklicks findest du Millionen von Frauen, die dick sind. Und es ist lustig, weil die Geschichte ist immer die selbe, natürlich in unterschiedlichen Ausprägungen und manchmal auch sehr furchtbar, aber die Grundgeschichte ist immer dieselbe. Auch beim Bodylove-Shooting in Wien habe ich mit den anderen Mädls gesprochen und da war es genauso.

Ich habe mit dem Bloggen begonnen weil, und ich weiß das es so nicht funktioniert, ein Teil von mir den ganzen anderen sieben bis 15jährigen Inas da draußen sagen will „es ist okay, ihr werdet trotzdem erfolgreich sein und euer Ding durchziehen“.

Es wird mir bis heute aberkannt eine erfolgreiche Frau sein zu können, nur aufgrund meines Gewichts und meiner Darstellung meines Gewichts. Das sage ich jetzt ganz bewusst, weil ich natürlich oft mitbekomme, dass z. B. Viele meinen, dass man mit untrainierten Oberarmen nichts ärmelloses mehr anhabe sollte.

(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

Meinst du das bekannte „Winkefleisch-Syndrom“?

(Lachen) Ja, genau. Oder nicht zu tief dekolletiert sein oder nichts tragen, was die Konturen des Körpers abzeichnet. Was ich schon alles gelesen habe, was ich nicht tragen sollte oder was auch andere Frauen nicht tragen sollten…

Du hast vorhin von Minderheit gesprochen. Aber ist es nicht faktisch vielmehr so, dass es immer mehr dicke Menschen gibt und zwar weltweit. Wie kann es sein, dass wir immer noch als Minderheit gesehen wird?

Wir sind zwar in Zahlen gesprochen keine Minderheit, aber in Sachen Sichtbarkeit sind wir eine Minderheit und zwar in vielen Bereichen. Ich erlebe es oft seit ich meine Boutique habe, dass wenn dicke Frauen etwas bei mir finden, dass sie es weglegen und meinen sie könnten das nicht tragen, sie würden das nie anziehen. Es gefällt ihnen und sie könnten es sich nicht leisten und sie nehmen es nicht, weil sie jetzt schon wissen, dass sie sich nicht trauen es anzuziehen.

Was wirklich schlimm ist. Ich bin ja der Meinung, dass Frauen schlanker aussehen, wenn sie Kleidung tragen die gut geschnitten ist und auch ihre Figur zeigt anstatt sie hinter zeltartigen Klamotten zu kaschieren. Einfach schön verpacken.

Würdest du sagen, dass es das öffentliche Bild ist, das hier beeinflusst oder?

Ja, ich nehme mich nicht aus, früher hätte es mir auch gut getan wenn mir jemand gesagt hätte: „Ina es ist ok wenn du dich so anziehst und etwas zeigst.“

Du hast das einfach für dich dann definiert, das es ist ok? Oder gab es einen Moment der dich so beeinflusst hat?

Das war so ein gewisser Trotz. Ich kann nicht mal sagen, dass ich mich in der Phase besonders wohl damit gefühlt habe, aber es war eine Trotzreaktion. Ich habe gemerkt ok, ich bin sowieso nicht Part der Gesellschaft, dann kann ich auch tragen was die Gesellschaft als nicht passend für mich definiert.

Das ich mich in meine Körper wirklich wohl fühle, da muss ich ehrlich sein, war ein unglaublich langer Weg, der sicher noch nicht ganz zu Ende ist. Die letzten drei bis vier Jahre kann ich sagen: „Ok, das ist mein Körper und der fühlt sich gut an.“

Vor Kurzem war ich mit einer Freundin in der Therme. Das Licht in Thermen ist nicht immer sehr schmeichelhaft und meine Freundin hat jede Delle auf ihrem Körper berachtet. Da habe ich bemerkt, dass ich das nicht mehr tue, dass mich das nicht mehr tangiert. Ich sehe es natürlich auch, ich bin ja nicht blind, aber ich denke nicht mehr darüber nach. Es spielt in meinem Kopf keine Rolle mehr. Ich habe Bikinis früher viel aus Trotz getragen, heute trage ich Bikinis und es ist einfach gut so…(lacht).

(c) Ina Holub

(c) Ina Holub

 

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Wir haben mit Ina noch über Modeljobs, Burlesque Shows, ihre Boutique und das Thema „dick sein in der Quer-Community“ gesprochen.

Mehr dazu dann in der nächsten Woche :).

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

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