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Plus Size ist zu wenig mutig

Als Österreichs bekannteste Stylistin und Trendforscherin habe ich Irmie Schüch-Schamburek nicht nur ganz Allgemein zu den Themen Mode, Trends und Styling befragt (den ersten Teil des Interviews findet ihr hier). Irmie verfolgt den Modemarkt seit geraumer  Zeit und so war es für mich auch naheliegend ihr zum Thema Plus Size einige Fragen zu stellen.

Plus Size

Warum die Gefahr besteht, dass das Thema Plus Size wieder in der Versenkung verschwindet, welche Verantwortung wir dabei tragen und warum Plus Size zu wenig mutig ist, wir uns sogar selbst korrumpieren und wir nicht auf Chanel, Gucci und Co. setzen sollten, könnt ihr jetzt hier im  zweiten Teil meines Gesprächs mit Irmie Schüch-Schamburek lesen.

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Du hast im Rahmen der Kampagne „Ich finde mich gut“ von „Otto“ gesagt, dass Trends die in Modemagazinen vorgelebt werden nicht der Realität entsprechen. Dass man sich einfach gut finden soll. Du arbeitest für Modemagazine und siehst diese Trends, die ja auch immer weiter getragen werden. Plus Size findet man da kaum. Die Realität spiegelt sich nicht wirklich wieder. Siehst du da einen Umbruch?

Leider sehe ich keinen Umbruch. Es ist so: für Menschen die nicht tief in der Materie stecken sind gewisse Übertreibungen hilfreich um die Essenz zu sehen. Wenn es jetzt um den Trend von gepunkteten Stoffen geht und ich zeige den Trend an einer hübschen Durchschnittsfrau, dann kann sie den Trend nur reduziert tragen. Weil ich sage mal, ein weißes Kleid in Größe 40 mit großen schwarzen Punkten, Polka Dots, da schaut man aus wie ein Dalmatiner. Das kann mit einer gewissen Persönlichkeit und einem verrückten Styling noch immer super ausschauen aber es ist jetzt nicht die Regel, dass die typische Österreicherin darin vorteilhaft ausschaut. Wenn ich es ästhetisch zeigen möchte, wie man es „normal“ trägt, dann nehme ich nicht Größe 40 sondern Größe 36/38. Ich nehme nicht 40+ sondern zwischen 20 und 30 und ich ziehe dem Model das jetzt auch nicht als „All Over Look“ an sondern ich zeige ein Key Piece wie z. B. eine gepunktete Bluse.

Dann schaut das schön aus und genau so kann man es getragen. Die modisch völlig unbedarfte Leserin schaut auf dieses Bild und fragt sich, was ist der Trend dabei? Sind es die roten Stiefeln, ist das die gepunktete Bluse oder ist es der große Schmuck den das Model um den Hals trägt? Daher übertreiben die Modemagazine in ihren Trends und bringen dann Styles die niemand tragen kann ohne, dass er lächerlich aussieht oder eine Bloggerin in Paris ist. Natürlich auch auf möglichst kleinen Größen, damit die Persönlichkeit möglichst wenig im Vordergrund steht und die Ware möglichst dominant ist. Darum schauen alle Models auch gleich aus – standartisiert und unspannend.

Ich würde mir wünschen, dass es mehr „personality „Geschichten gibt. Wo man Frauen zeigt, die dann auch nicht 16 Jahren sein müssen und Größe 32 tragen. Die schon mit einem gewissen übertriebenen Styling, das zu ihnen passt, für die modisch unbedarfte Leserin Trends vermittelt.

Es gilt halt den Weg zu finden zwischen dem Gezeigten im Magazin und der individuellen Umsetzung, was kann ich als Trend für mich herausholen und wie kann ich es tragen. Das muss eigentlich dann eher mehr bei einem Händler passieren, der die Sachen hat. Weil das Magazin sagt, Polka Dots sind Trend und die Leserin sucht dann in der Boutique ihres Vertrauens genau diesen Look. Da sollte es dann eine gute Verkäuferin geben die sagt: „Für Sie die Polka Dots bitte als Top mit einem schönen Jackerl oder bitte ganz groß als Detail oder als Schal.“ Aber nicht das A-Form Kleid der 60 er Jahre, das die Leserin im Magazin gesehen hat, ihr aber gar nicht steht.

Das heißt also auch, dass dem Einzelhandel sehr viel Verantwortung zukommt wenn es ums richtige Styling geht?

Das ist ein großes Problem und es wundert mich nicht, dass die Umsätze so schwierig sind. Es gibt keine Trendvorgaben mehr. Wenn man sich die alten „Mundlfilme“ (österr. Kultserie der 1970er Jahre Anm. der Red.) anschaut, dann ist ganz klar was Mode ist. Die tragen alle Schnürlsamt und orange und A-förmige Miniröcke. Damals ist dem Konsument gar nichts anderes übrig geblieben, als sich dem Modediktat zu beugen, gnadenlos, ob es zur Figur gepasst hat oder nicht. Jetzt kann jeder alles tragen und die, die sich nicht intensiv damit beschäftigen sind völlig überfordert.

Es ist so, als müsste ich beim Haas und Haas (bekanntes Teehaus in Wien Anm. der Red.) aus 50 grünen Tees die guten für mich rausschmecken. Das kann ich auch nicht, weil ich mich mit grünem Tee gar nicht auskenne. Ich weiß nicht worauf ich achten soll. Da braucht es jemanden der mir das erklärt. Genau so ist es mit der jetzigen Mode. Es gibt riesige immer mehr großflächigere Anbieter mit einer riesigen Auswahl und ich gehe dort als nicht modisch affiner Mensch hinein und habe keine Ahnung was jetzt Mode ist und was zu meiner Figur passt. Außer ich habe mich damit beschäftigt. Dann gehe ich frustriert raus, weil mir nix steht und ich mir denke: „Sowas Ähnliches habe ich eh zu Hause.“ Gekauft wird dann natürlich nichts.

Wäre also eine bessere Ausbildung was Beratung in Boutiquen betrifft an zudenken?

Genau.

(c) Caro Strasnik

(c) Caro Strasnik

Plus Size: das Thema war ja schon einmal ganz groß in den 1990er Jahren. Siehst du einen Unterschied zur Diskussion in den 1990ern, als Große Größen noch Molly Mode hießen? Hat sich das Thema weiterentwickelt?

Das kann ich schwer sagen. Es hat sich natürlich weiterentwickelt in dem Maß in dem sich auch die Gesellschaft weiterentwickelt hat. Das Selbstbewusstsein der Plus Size Frau hat sich, glaube ich, seit den 1990er Jahren positiv weiterentwickelt. So hat sich auch die Gesellschaft ausgeprägter zur Individualität weiterentwickelt. Das Dilemma ist immer noch das Gleiche: das Schönheitsideal ist das Gleiche wie in den 90er Jahren. Als Plus Size entspricht man diesem nicht und da steht dann natürlich immer noch ein gewisser Leidensdruck und eine Unsicherheit dahinter.

Schwierig zu sagen ist es deshalb, weil die Grundstruktur sich nicht viel verändert hat, auch wenn sich die Rahmenbedingungen scheinbar geändert haben. Ist mein Eindruck. Es hat in den 90er Jahren selbstbewusste Plus Size Damen gegeben und die gibt es heute auch und es gibt genau so verzweifele Plus Size Damen wie damals auch. Nur die Gesellschaft geht vielleicht ein bisschen liberaler mit dem Thema um.

Denkst du ist „Plus Size“ ein Thema, mit dem sich die Industrie längerfristig beschäftigen wird oder ist das genau so eine Modeerscheinung die wieder in der Versenkung verschwindet?

Es ist immer ein Spiel zwischen: dem unmündigen Konsumenten vorgeben was er vermeintlich braucht und den wirklichen Bedürfnissen des Kunden. Der dann forciert, dass gewisse Produkte entwickelt werden. Es ist immer so ein Gegenspiel. Im Plus Size Bereich wird das Thema Mode eher noch mehr negiert als bei der „normalen“ Österreicherin.

Der Impuls muss von den Plus Size Trägerinnen kommen, die sich auch im Straßenbild und in den Medien verstärkt modisch präsentieren, sodass die Industrie dann folgt. Vor allem weil der Plus Size Bereich noch individueller ist. Hier gibt es noch kleinere Geschäfte, wo noch Boutiquenbesitzerinnen die verschiedenen Marken zusammen suchen. Hier gibt es noch keine großflächige Auswahl. Ja, es gibt Plus Size Corner bei H&M oder C&A, aber es ist doch noch ein Markt der ein bisschen individueller ist. Es muss halt von der Plus Size Seite her auch etwas kommen was eingefordert und auch eingelöst werden muss. Dazu ist es hilfreich, wenn sich die Plus Size Frauen auch mehr mit dem Thema Mode an und für sich beschäftigen.

Plus Size kommt in den Medien modisch ja sehr selten vor…

Ja, weil viele Plus Size Frauen sich in ihrem eigenen Schönheitsideal ja auch an den schlanken Frauen orientieren, dadurch korrumpieren sich sich selbst ein bisschen.

Gibt es etwas worauf Plus Size Frauen beim Kauf ihrer Kleidung achten sollten?

Eine Regel, die aus den 80er / 90er Jahren kommt, das gilt übrigens nicht nur für Plus Size Figuren: Ich erachte es als wichtig, dass man seiner Körpersilhouette folgt. Bei Plus Size finde ich, dass man in Geschäften immer noch einen Kastentyp daraus macht. Es gibt auch innerhalb von Plus Size viele verschiedene Figurtypen und ich finde man sollte diesen Anlagen folgen. Nicht ausgleichend wirken, wenn man z. B. unten breit ist und oben schmal, dann sollte man nicht oben mehr drauf tun als unten. So wird man in der Plus Size nämlich automatisch zum Kasten. Ist auch bei einer schlanken Frau nicht schön. Man muss die Elemente betonen, die man an sich mag und die optisch etwas her machen und den Fokus auf den Bereich legen der dann schön attraktiviert werden kann.

Die No Gos sind das Standardisieren der Figur und das macht man, in dem man die Figur bricht oder sie völlig verhüllt. Das ist schade, weil das in keinem Fall vorteilhaft ist. Vielleicht modisch, aber nicht vorteilhaft lacht.

Kennst du eine Plus Size Designerin die du besonders empfehlen kannst oder spannend findest?

Jetzt sind wir wieder bei der Avantgarde: die Susa Kreuzberger, die ist für mich eine, die ich extrem spannend finde. Für mich ist eine wichtige Stylingthematik von Plus Size Styling, dass man sich nicht unbedingt an den Standardsilhouetten orientieren sollte oder kann. Was macht man aber, wenn man jetzt irgendwie modisch angezogen sein möchte, aber nicht das klassische Kostümchen tragen kann weil es einfach mit der Figur nicht kompatibel ist?

Ein noch so toller Balenciaga Schnitt schaut einfach auf Plus Size nicht gut aus und so ist es mit vielen „modischen“ Schnitten. Das heißt, ich bin eine große Verfechterin und Anhängerin für die Plus Size Damen, die jetzt nicht Komfortkleidung suchen oder casual oder Alltagskleidung, in die Avantgardrichtung zu gehen. Bei der Susa Kreuzberger habe ich das Problem, dass ich etwas von ihr anziehe und das ist drapiert und gelayerd und schaut super aus und ich fühl mich wie ein Sack, weil man von meiner Figur nichts mehr sieht. Aber genau mit diesem Stil spielt mich eine Plus Size Frau an die Wand. Weil die schaut nämlich mit einem asymetrischen riesigen Kragen mit einer Drapierung mit unterschiedlichen Längenkontrasten super toll aus. Daher finde ich sie gut, weil sie eine Alternative bietet zu den standardisierten modischen Balenciaga-, Gucci- Pradalooks die man als Plus Size nicht umsetzen kann.

Im Prinzip könnte ich mir ja auch einen Chanel-Mantel für meine Größe schneidern lassen. Wäre das deiner Meinung nach vielleicht nicht so vorteilhaft?

Genau. Weil für mich Mode etwas sehr Individuelles ist. Das was Plus Size auszeichnet, ist eine große Fläche und eine große Fläche kann man ganz toll dekorieren. Ich verschwinde hinter so einer Dekoration. Das ist ein Plus, das Plus Size Frauen haben und das meiner Meinung nach viel zu wenig ausgeschöpft wird. Man kann natürlich entweder in die schmeichelnde Richtung gehen und weiche Stoffe und Layers tragen und da ein bisschen mit den Längen spielen aber man kann auch wirklich in Avantgarde gehen, wirklich in Farben gehen, wirklich in Details und wirklich in tolle Muster gehen. Da sind Plus Size Frauen aber auch zu wenig modemutig. Susa Kreuzberger ist für mich eine Mischung, die in die Avantgarde geht: sie ist natürlich sehr schwarz unterwegs, aber das ist eine gute Farbe um Außergewöhnliches zu tragen ohne zu sehr präsent zu sein wie in Blitzblau oder Knallrot und man ist individuell. Das finde ich, ist eine ganz spannende Sache im Plus Size Bereich. Wir gehen ja jetzt wieder Richtung Avantgarde auch von der Mode her, sich auf diesen Trend zu setzen….da kann Plus Size stylingtechnisch punkten.

 

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Liebe Irmie, vielen Dank für das spannende und erhellende Gespräch.

 

Den ersten Teil des Interviews findet ihr hier:

//curvect.com/styling-trends-designerlabel-irmie-schuech-schamburek-im-gespraech/

 

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

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