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Selbstermächtigung

Selbstermächtigung bedeutet seine eigenen Interessen zu vertreten. Genau das nehme ich mir heraus. Denn als dicker Mensch wird einem die Selbstermächtigung gerne aus der Hand genommen. Da wird öffentlich erklärt, dass wir nicht wissen was gut für uns ist, dass wir uns krank essen und ungesund bewegen. Dabei wird über unsere Köpfe hinweg über uns entschieden und diskutiert. Denn Selbstverantwortung wird uns nicht zugetraut. Das eigene Wohl zu bestimmen wird uns aus der Hand genommen. Denn wir wissen nicht was gut für uns ist, wir wissen einfach nicht, was wir tun. Diese Entmündigung muss aufhören!

 

Im Namen der Gesundheit

 

So werden wir im Namen unserer Gesundheit nicht nur entmündigt, sondern auch entmenschlicht. Ob „headless fatties“ in den Medien – Bilder dicker Menschen, die in den Medien ohne Kopf gezeigt werden, um die dicken Körper zu dehumanisieren und den fetten unförmigen Körper in den Fokus zu stellen, oder auch sprachliche Entgleisungen (wie z. B. die Adipositas Pandemie), Mehrgewichtige werden täglich diskriminiert und erniedrigt. Auf vielfältige Art und Weise. Nicht immer nehmen wir es wahr, oder wollen es auch wahrnehmen, doch es passiert.

Allerdings nicht ohne Grund – so die öffentliche Meinung. Denn wir müssen verstehen lernen, dass wir nicht gesund sind, dass unsere Körper falsch sind, dass wir uns ändern müssen. Im Namen der Gesundheit ist Diskriminierung also vollkommen legitim. Dass dieses Verhalten erst recht negative Auswirkungen auf unser Verhalten und uns selbst haben kann ist dabei egal. Denn der Zweck soll die Mittel heiligen.

Mir ist klar, dass das drastisch klingt und liebe Leser:innen ihr werdet wohl bemerkt haben, dass ich weniger lieblich schreibe und mein wienerisches um ein Thema herum reden etwas abgelegt habe (wir sagen die „Maschek-Seite“ benützen, nie direkt, immer drum herum). Doch mir wird immer klarer, dass wir keine Zeit mehr für „sugar coating“ haben. So habe ich mich auch ganz bewusst entschieden Wörter, die gebraucht werden um uns gesellschaftlich zu beschreiben nicht mit * zu versehen. Ich schreibe und spreche es aus. Natürlich ist das nicht angenehm und wenn das zu viel für euch ist, dann verstehe ich das vollkommen. Es wird auch wieder andere Artikel geben, versprochen.

 

Denn sie wissen nicht, was sie tun

 

Doch ich bin es leid. Vor allem diese Angstmacherei bin ich leid. Diese Entmenschlichung, als wären wir nur unsere dicken Körper und keine Menschen um die man sich kümmern und bemühen muss. Denn genau so verhalten sich Mediziner:innen und Politik uns gegenüber. Wir werden nicht ernst genommen. So darf nicht sein, was nicht sein kann.

Die einschlägige Meinung: „Wer schlau ist kann nicht dick sein.“ Punkt. Ob Studien darüber, dass mehrgewichtige Menschen ein geringeres Denkvermögen haben (Studie aus dem Jahr 2012) oder eine aktuelle Studie, die aufzuzeigen versucht, dass dicke Menschen der Ökonomie und Arbeitswelt schaden (Studie aus dem Jahr 2022)* – immer wieder wird uns gezeigt, dass wir nicht wissen, was wir tun.

Setzt man sich näher mit solchen Studien auseinander merkt man aber, dass über wesentliche Punkte darin nicht gesprochen wird: dass sich gesellschaftliche Vorurteile nachteilig auf uns auswirken. Soll heißen, Menschen, die Mehrgewichtigen gegenüber Vorurteile haben, verhalten sich auch so. Das ist nur ein Kritikpunkt an der Auseinandersetzung der Gesellschaft / Wissenschaft mit dem Thema Mehrgewichtigkeit und in diesem Text möchte ich gar nicht zu genau auf diese Studien eingehen. Dies werde ich an anderer Stelle machen. Vielmehr geht es mir darum zu zeigen, wie die allgemeine Stimmung uns gegenüber aktuell ist.

Selbstermächtigung_Zufriedenheit

Am Gängelband der Gesellschaft

 

Denn oft habe ich das Gefühl, wir befinden uns am Gängelband der Gesellschaft. Man kritisiert uns, man will uns verändern, man spricht uns Denkvermögen und Mündigkeit ab. Studien untermauern diese Meinungen, Politik, Medien und Gesellschaft geben diese entsprechend wider. Dabei wird das System nicht hinterfragt. Hinterfragt werden nur wir. Das paradoxe daran ist – man spricht uns Verantwortungsgefühl auf der einen Seite ab, andererseits sollen wir die Verantwortung für das medizinische System (können es belasten, gar überfordern) oder auch für wirtschaftliche Einbußen tragen.

Wie hätten wir es denn jetzt gerne? Über Diskriminierung habe ich ja bereits in meinem letzten Artikel gesprochen. Heute möchte ich viel lieber darüber sprechen, dass wir sehr wohl verantwortungsbewusst sind, dass wir Verantwortung für unser Leben übernehmen.

 

Selbstermächtigung

 

Doch ich gehe über den Begriff Verantwortung hinaus. Selbstermächtigung steht für mich nämlich nicht nur für meine Unabhängigkeit und das Recht eigene Entscheidungen zu treffen. Ich trete für meine Interessen ein. Das wird gesellschaftlich geradezu als tollkühn verstanden. Allerdings ist es höchste Zeit. Viel zu lange wurde über unsere Köpfe hinweg über uns gesprochen und entschieden. Um eine nachhaltige Diskussion und eine Systemveränderung herbeizuführen, müssen wir aktiver Teil der Diskussion werden.

Wir müssen gehört werden. Das klingt jetzt alles sehr nach Parolen, ich weiß. So soll es aber nicht sein. Vielmehr soll das ein Aufruf dazu sein, dass wir uns austauschen, wir miteinander sprechen, uns gegenseitig unterstützen. All dies sind Grundlagen dafür, dass wir uns stark genug fühlen um Systeme zu hinterfragen, Studien selbst genau zu betrachten, Argumente widerlegen, dass wir uns für uns einstehen. Denn wenn wir das nicht machen, wer soll es dann tun?

 

 

 

 

 

  • Economic impacts of overweight and obesity: current and future estimates for 161 countries: https://gh.bmj.com/content/7/9/e009773

     

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