Curvy Supermodel, die gestrenge Jury des RTL II Formats kürt in wenigen Tagen die Gewinnerin der zweiten Staffel. Knapp 900.000 ZuschauerInnen verfolgen das Format teilweise (Quelle: quotenmeter.de). Eine durchaus beachtliche Zahl. Die Frage aber ist, was am Ende der Modelusche übrig bleibt. Werden Vorurteile gegenüber dicken Menschen abgebaut, wird ein positives Körperbild gezeigt oder werden die jungen Frauen medial einfach vorgeführt?
Trash TV oder Befreiungsschlag
Die Meinungen zur Plus Size Modelsuche im TV sind sehr unterschiedlich. Während einige das Format toll finden, üben viele Frauen und auch Männer Kritik an der Art der Präsentation der jungen Modelanwärterinnen und vor allem auch an der Sprache der Jury. Auch in Österreich ist Curvy Supermodel ein Thema. So habe ich vor Kurzem mit der lieben Nunu Kaller, Buchautorin und kritische Beobachterin gängiger Schönheitsideale, über die Sendung gesprochen. Ihre Meinung ist durchaus kontrovers und das brachte uns auf eine Idee.
Curvy Supermodel – eure Meinung
Wir von Curvect möchten euch gerne die Plattform bieten um zu diskutieren. Wie findet ihr das Format Curvy Supermodel? Ihr habt auch eine Meinung zum Thema und wollt diese mit uns und unseren LeserInnen teilen? Dann schickt euren Bericht (max 500 Wörter, etwa eine A4 Seite) an office@curvect.com Wir veröffentlichen eure Meinung gerne, so langer sie nicht beleidigend oder diskriminierend ist. Diskutiert mit!
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Nunu Kaller: ein Kommentar
Curvy Supermodel: Yeah, runde Frauen können sich AUCH zum Affen machen!
Seit ich mich intensiv mit dem Thema Body Positivity auseinandersetze, bin ich etwas allergisch gegen das kleine Wort „auch“. Wenn es Curvys und all jenen, die anderweitig aus der sowieso schon lange nicht mehr erreichbaren „Norm“ fallen, ein Anliegen ist, ihren Platz in der Gesellschaft, in den Medien, in der Aufmerksamkeit der Menschen als natürlich und selbstverständlich darzustellen, dann geht das nicht mit dem Wörtchen „auch“:
Plus Size Frauen sind nicht AUCH schön, sie sind schön.
Sie haben nicht AUCH Liebe und Anerkennung verdient, sie haben es schlicht verdient, wie jede andere Person auf diesem Planeten (ok, Kriegsverbrecher und andere Sadisten sollten wir da jetzt mal auslassen).
Wir dürfen nicht AUCH enge Tops und kurze Röcke anziehen, wir dürfen es.
Punkt.
Soweit zur Theorie.
Kommen wir mal zur derzeit im Fernsehen gelebten Praxis. Da gibt es jetzt doch glatt „Curvy Supermodel“ bereits in zweiter Staffel. Ein Modelcontest für rundere Frauen. Freuen sollte man sich, endlich wird das Bild der kurvigen Frau normalisiert. Denn Curvy Frauen sind ja AUCH schön (merkt ihr was?). Doch leider, leider, Curvy Supermodels bricht nicht mit Klischees, es verstärkt sie.
16-Jährige stolzieren in Unterwäsche auf Pferderennbahnen dahin. Ich mein – Plussize Frauen. Auf Pferderennbahnen. Das ist die erste Einladung für Bodyshamer vorm Bildschirm, auf die noch viele weitere Folgen sollen. Ja, kurvig soll man bitte sein, aber schwabbeln darf nichts. Eine Sanduhrfigur wird gesucht, aber wehe, du hast mehr Sanduhr als Größe 44. Plus Size startet übrigens bei der Jury, bestehend aus einer Kurvigen und drei sehr schlanken Menschen, bei 38.
Überhaupt, die Jury: Peyman Amin wurde ja bei Germany´s next Topmodel bekannt – als der Bad Cop, der die angehenden Models regelmäßig zusammenfaltete, damit ihr Selbstwert ja nicht größer als sein eigenes Ego war. Das Gleiche macht er nun mit angehenden Curvy Models, natürlich nur für die Quote, hinter den Kameras ist er ja ein gaaaanz ein Liiieber (ich seh sie schon vor mir, die Bild.de-Überschriften).
Mit dem kleinen Unterschied, dass es beim Zuschauen noch ein bisschen mehr weh tut, weil ich – selbst curvy – sehr gut nachempfinden kann, was in den Köpfen der Curvys vorgeht. Ich musste über dreißig werden, bis mein Selbstbewusstsein endlich so weit ausgeprägt war, dass ich im Bikini im Freibad nicht mehr halb in Ohnmacht gefallen bin vom Baucheinziehen. Hat man dieses Selbstbewusstsein noch nicht – was den durchschnittlich geschätzt 20-Jährigen nicht vorzuwerfen ist – ist das Zeigen des eigenen Körpers in Unterwäsche noch nicht gar so einfach.
Die Kandidatinnen müssen das jedoch in jeder einzelnen Folge tun. Selbst, wenn es nur um ihre neuen Frisuren geht, müssen sie sich in hautfarbenen Slips und BHs vor die Kameras stellen. Das ist keine Darstellung von Kurven, das ist Zurschaustellung.
Curvy muss sexy sein. Curvy natürlich oder gar curvy sportlich – nö. Sexy muss sein. Es muss da dringend weiterhin auf dem Klischee der „drallen Blondine“ und der „rassigen Brünetten“ herumgeorgelt werden.
Kurz: Das, was die Sendung vorgibt, ist sie nicht. Sie ebnet den Weg in ein neues Körperbild nicht. Sie verstärkt Klischees und betont, dass Curvys AUCH Models sein können. Jeder einzelne Kritikpunkt, der an Germany´s next Topmodel geäußert wird, gilt auch für Curvy Supermodel (ja, sogar das Abnehm-Argument. Wetten?). Und das ist nicht überraschend. Egal, ob kurvig oder nicht, eine auf mehrere Stunden ausgedehnte Werbesendung, unterbrochen von weinenden Mädchen, ist und bleibt Trash-TV.
Und Trash kann man mögen – oder eben AUCH nicht.
Über die Autorin:
Nunu Kaller ist Autorin im wahrsten Sinne des Wortes. Ihr 2013 erschienenes Buch „Ich kauf nix“ – Vom Shopaholic zur kritischen Konsumenten, ist ein Plädoyer für bewusstes Kaufverhalten und gegen de Konsumwahn. Neben ihrem Beruf als Konsumentensprecherin bei Greenpeace arbeitet Nunu gerade an einem zweiten Buch zum Thema Body Positivity und der Reflexion gängiger Schönheitsideale.
Mehr über Nunu: https://ichkaufnix.com/