Zutritt verboten – Von Oberflächlichkeit und nötiger politischer Veränderung
Zutritt verboten – „Du bist zu dick, du darfst da nicht rein!“ Die (so nicht direkt getätigte) Aussage eines Türstehers und / oder Veranstalters lässt die Wogen hoch gehen. Nun, sagen wir eher lässt die sommerliche Berichterstattung nicht kalt. Nicht nur Empörung und Unverständnis sind zu lesen, sondern auch Überraschung und Ahnungslosigkeit. Hier sei erwähnt, nichts von all dem entspricht meiner Gefühlslage. Warum mir ein „ja, eh“ durch den Kopf gegangen ist, ich nicht einmal schockiert sein kann und die Diskussion für mich lange nicht weit genug geht.
Von Zutrittsverboten und Diskriminierung
Dazu sei zunächst einmal gesagt, dass Türsteher*innen allgemein selten zimperlich sind. Wer nicht gefällt hat keinen Zutritt. Ob dies dem eigenen Bias oder der Vorgabe der Veranstalter*innen entspricht ist nicht immer ganz klar, dass Resultat bleibt aber das gleiche. Doch nicht genug, dass einer Person, die den Normvorstellungen (oder den vorgegebenen Schönheitsnormen) nicht entspricht, der Zutritt verwehrt wird. Zwangsläufig geht damit auch eine Demütigung einher. Denn so ins Gesicht gesagt zu bekommen, dass man dick ist, nicht gefällt und nicht dazu gehört ist niederschmetternd, verletzend und ja, eben demütigend.
An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass diese Angelegenheit noch vor einigen Jahren nirgends Gehör gefunden hätte. Denn zwei vermeintlich als zu dick abgestempelte und diskriminierte junge Frauen wären den Medien früher wohl keine Schlagzeile wert gewesen. Das klingt zynisch? Nun, das ist es auch. So sind tägliche Diskriminierungen von mehrgewichtigen Menschen so zur Norm geworden, dass sie gar nicht weiter erwähnt werden. Doch die Zeiten ändern sich, die Themenlage auch. Dabei würde ich nur bedingt von mehr Feingefühl sprechen. Sondern eher ins Treffen führen, dass die aktuelle mediale Aufmerksamkeit in Zeiten von Bodypositivity solche Ereignisse schneller zum Thema macht. Weil es einem gewissen Nachrichtenwert nicht entbehrt.
Aufregerpotenzial
Denn der so verwehrte Eintritt polarisiert und führt zu Diskussionen. Darf so etwas sein? Darf man Menschen so behandeln? Was ist mit dem Veranstalter des Events, sind seine vorgegebenen Beautystandards falsch?
Hier vorweg, in diversen Zeitungsforen sind, bei aller berechtigten Kritik, Kommentare über den Veranstalter Martin Ho zu lesen, die einfach unter aller Kritik sind. Rassistische Äußerungen, die ich hier gar nicht weiter beschreiben werde. Darüber hinaus finden sich Stimmen, die Empörung rufen und wieder andere, die die ganze Aufregung nicht verstehen.
In meiner eigenen Bubble hat dies zu sehr viel Empörung geführt und es wird heftig diskutiert. Ich mache gerade eine Social Media Pause und habe davon zunächst gar nicht wirklich etwas mitbekommen und als ich dann doch Kommentare und Stories verfolgt habe, habe ich mich gefragt, ob die Diskussion wirklich weit genug geht. Denn es geht mir persönlich gar nicht so sehr um den verwehrten Zutritt für mehrgewichtige Menschen in einem „hippen“ Lokal. Nennt mich desillusioniert, aber so etwas wundert mich gar nicht mehr. Viel mehr ist es die Herangehensweise über das Thema zu sprechen.
Am Thema vorbei aufregen
Denn diesen Anlass als einmalige Ausnahmesituation zu verstehen wäre ebenso falsch, wie darüber hinaus nicht über Beautynormen und systemische und alltägliche Diskriminierung mehrgewichtiger Menschen zu sprechen. Die Tageszeitung „Die Krone“ hat in einem online Artikel Wissenschaftlerinnen zu Wort kommen lassen, die über Schönheitsnormen und den Druck auf Frauen sprechen. Dieses über das „pure Aufregen“ hinausgehende Denken halte ich für sehr, sehr wichtig.
Oft vergeht ein sommerlicher Aufreger genau so rasch wieder, wie er begonnen hat. Doch – und einige mehrgewichtige Menschen die das hier lesen werden mir vielleicht recht geben – der Alltag für dicke Mensch verändert sich leider nicht rasch genug, wenn es um Diskriminierung und Ungleichbehandlung geht.
Diskriminierung mehrgewichtiger Menschen – wo sind Gesetze, die das verhindern
Meine liebe Freundin Veronika Merklein hat in einem Kommentar auf Facebook schon kurz darüber geschrieben: gegen die Diskriminierung Mehrgewichtiger muss gesetzlich vorgegangen werden. So sehr ich es auch gut finde, dass vermehrt dicke Menschen in den Medien zu sehen sind, ja auch in der Werbung – so sehr vermisse ich die nächsten Schritte.
Repräsentation ist nämlich weit mehr als ein Interview, oder ein Fotoshoot. Repräsentation hört nicht bei einigen Artikeln und zwei Werbespots auf. Denn noch immer sind Vorurteile gegenüber Mehrgewichtigen sehr stark in der Gesellschaft, in der Politik, in der Medizin, in der Modeindustrie usw. vorhanden. So fehlt das Verständnis für dicke Körper in der Mode – zum Beispiel bei der Schnittführung. Darüber hinaus vor allem auch in der Medizin – dick ist krank. Auch die Politik setzt sich nicht für uns ein.
In den letzten Jahren war einzig die Diskussion über ein Urteil des europäischen Gerichtshof, das Mehrgewichtigkeit in bestimmten Fällen als Behinderung im Beruf festlegte, politisch zu vernehmen. In Wien gab es im Rahmen des Programms für Frauengesundheit eine Studie, die sich mit dem Thema Gewichtsdiskriminierung und Gesundheit auseinandersetzte. Die Ergebnisse waren niederschmetternd, doch (politische) Konsequenzen gab es keine.
Politisch
Auf Curvect verbinde ich zunehmend Modisches mit Politischem. Eine Entwicklung, die sich in den letzten Jahren so ergeben hat. Denn es kam ein Moment, in dem ich mich dafür entschieden habe, dass Veränderung für mich nicht „nur“ das Verändern von Sehgewohnheiten ist. So sehr ich Mode liebe und Fashion auch immer ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit sein wird, es reicht nicht um voran zu treiben, was so wichtig ist: die Diskriminierung von mehrgewichtigen Menschen zu beenden.
Dazu braucht es neben (öffentlicher) Repräsentation auch Aufklärung, Dialog, Verständnis und Fortschritt. Es ist wichtig, dass wir uns nicht nur untereinander austauschen und über Diskriminierung diskutieren. Dies ist natürlich wesentlich. Doch dieser Kreislauf ist auch endlich. Denn so sehr wir auch an uns „arbeiten“, um uns und unsere Körper besser zu verstehen und uns selbst nicht runterzumachen, uns zu respektieren und im besten Fall zu mögen. Wenn sich öffentlich nichts verändert, dann werden wir und die uns folgenden Generationen immer wieder mit den selben Themen konfrontiert sein, der Zutritt zu manchen Dingen wird uns weiter verwehrt bleiben.
Veränderung: Respekt
Veränderung liegt nicht nur an uns, wir müssen uns nicht mögen, um Respekt einzufordern. Denn genau das ist es, wonach wir mindestens verlangen können: Respekt. Gegen Diskriminierung vorzugehen, Verständnis zu schaffen und Austausch in Gang zu setzen braucht Zeit und ist mit viel Geduld und Arbeit verbunden. Einige von uns haben sich für diesen Weg entschieden und wir gehen das auf ganz unterschiedliche Weise an, um Veränderungen voranzubringen.
Deshalb wünsche ich mir, dass solche sommerlichen Aufreger als mehr verstanden werden, als als singuläre Ereignisse die ärgerlich sind. Es geht um viel mehr. Es geht um uns und unsere Zukunft und Gesellschaft. Das mag dramatisch formuliert sein, doch deshalb ist es nicht weniger wahr.
Titelbild: Ursula Schmitz Photography