logo_web@2-1
Image Alt

Curvect

  /  Reportagen   /  Lebensart   /  FitInn – Warum ich oft gar nicht „reinpassen“ möchte
FitInn_Selbstwert_Titel

FitInn – Warum ich oft gar nicht „reinpassen“ möchte

FitInn, eine Fitnesskette, die immer wieder für Aufsehen sorgt. Dabei ist das vor allem den provozierenden Werbesujets zu verdanken. Ob „die fetten Jahre sind vorbei“ oder auch, wie aktuell, „Body Positivity – glaub nicht alles was du denkst“, die Themen sind plakativ und provokativ. Doch FitInn ist eigentlich nur ein Abbild der Zeit, in der Worte wie Waffen und doch so unbedacht benützt werden. Darüber hinaus wird uns dicken Menschen immer wieder gezeigt wie wir zu sein haben: dünner. Weil, wer dick ist oder bleibt, ist ja eigentlich dumm, oder?

„Ich kann mein Leben in dem Moment nicht so genießen, wie ich es eigentlich machen würde. Alle denken, Dicke sind unglücklich, weil sie dick sind. Aber sie sind unglücklich, weil man ihnen so viel Stress macht – weil die anderen ein Problem aus dem Gewicht machen.“ Bethany Rutter, Bodypositivity Aktivistin, Autorin*

FitInn

Alleine 23 FitInn Studios gibt es in Wien, darüber hinaus noch Studios in ganz Österreich. Fit, effizient, leistbar, maximaler Erfolg. Die Website der Kette ist ganz auf Stärke getrimmt. Dazwischen sind immer wieder markige Sprüche zu finden. „Das sind Kurven – glaub nicht alles was du denkst“, oder auch „Hauptsache schlau – glaub nicht alles was du denkst“.

Verkauft werden diese Slogans als Motivation. So werden Beleidigungen und Herablassung als Marketinggag zur Verbreitung demütigender Botschaften benützt. Doch das schafft ja Aufmerksamkeit. Tatsächlich. Denn ich schreibe ja auch gerade darüber. Also, Ziel erreicht, maximale Aufmerksamkeit für ebenso maximale Herabwürdigung.

https://www.instagram.com/p/B7n3IOPgwg8/

Der Weg ins Fitnesscenter

Dies soll möglichst viele Menschen in die FitInn Fitnesscenter bringen. Dabei gibt der Erfolg der Kette ja recht, oder nicht? Denn wer immer mehr Filialen aufbauen kann, der ist wirtschaftlich gesehen genau in die richtige Richtung unterwegs.

Was hier auf der Strecke bleibt ist neben gutem Geschmack übrigens auch eine große Portion an Empathie und vor allem Respekt!

Lange habe ich überlegt, wie ich dieses Thema angehen soll. Denn bei diesen dämlichen Sprüchen werde ich fast blind vor Wut. Bei aller Objektivität, der ich mich hier auf Curvect verschreibe und die mir wichtig ist, sind solche Sprüche für mich und die überwältigende Zustimmung dazu genau die Bestätigung dafür, dass die Gesellschaft nicht Body positiv ist. Dass dicke Menschen hier noch lange nicht angekommen sind. Dass Ausgrenzung, Herablassung und damit auch Hass etwas ganz Selbstverständliches sind.

FitInn_beleidigende_Worte_Alltag

Kleiner Alltagsfund. Weil es eben ganz normal ist..richtig?!

Es ist geradezu erschreckend, wie normal es ist die Dicken ganz öffentlich an den Pranger zu stellen. Weil es in Ordnung ist. Dicke darf man ja beleidigen. Ist eh gut so, denn der Schwabbel soll sich gefälligst bewegen. Gibt es ja nicht, dass ein Mensch dick ist und sich wohl fühlt. Alles Betrug, alles Lüge, die machen sich ja alle was vor, Stockholm Syndrom mäßig.

Da scheint der Schritt ins Fitnesscenter nur logisch.

Beleidigungen als Ansporn?

Genau, es regt mich auf ;). Doch davon einmal abgesehen stelle ich mir die Frage, ob diese verletzenden und beleidigenden Wort ein Ansporn sein sollen. Wenn man jemanden nur lang genug fertig macht, dann wird sich der Mensch schon ändern. Ist das die Idee dahinter? Oder ist es schlicht egal, wie demütigend man ist, weil der dicke Mensch weniger Wertigkeit besitzt als der gesellschaftlich anerkannte schlanke Mensch. Dass Beleidigungen & Hass leider nicht nur dicke Menschen betreffen ist mir hier nur zu bewusst.

Ebenso bewusst lasse ich in diesem Artikel die Diskussion rund um „dick und fit“ aus oder „auch Dicke machen Sport und wollen sich bewegen“ weg. Das sind natürlich wichtige Themen. Doch gerade bin ich es leid zu argumentieren, dass das unser gutes Recht ist, dass wir nicht einfach nur wandelnde Klischees sind. Oder auch, dass dicke Körper weit mehr können, als ihnen in der Öffentlichkeit nachgesagt wird. Dabei nicht zu vergessen, dass jeder Körper / jeder Mensch unterschiedlich ist. Große Muskeln sagen nichts über Ausdauer aus, ebenso wenig ein dicker Bauch.

Darüber hinaus ist ein weniger fitter Menschen übrigens nicht weniger wert als ein sehr fitter Mensch. Nur um das auch mal gesagt zu haben.

Dieses „FitInn“-Problem geht meiner Meinung nach noch viel tiefer und sagt viel über den Umgang einer Gesellschaft mit dicken Körpern aus.

FitInn – War um ich oft gar nicht „reinpassen“ möchte

Auch darüber, dass jegliche Verantwortung für den Umgang mit dicken Körpern immer auf dicke Menschen selbst abgewälzt wird. Im Sinne von „sorg‘ dafür, dass du dünner wirst, dann können wir auch wieder nett zu dir sein.“ Gesünder oder glücklicher ist dabei nicht das Thema. Gefühlte Millionen Bücher zum Thema Body Positivity erzählen von positiven Körpergefühlen und darüber, dass man sich selbst lieben soll. Doch diese positiven Äußerungen haben ihre Grenzen. Denn zu fett, ist zu fett und das geht nicht.  Da ist es auch total erlaubt, dass man sich eben diesen zu fetten Menschen gegenüber nicht so freundlich zeigt.

Damit sie endlich verstehen, dass sie etwas zu ändern haben. Doch diese Mentalität hat Konsequenzen.

„Firmen aus dem Fitness-Bereich und der Schönheitsindustrie tragen daher eine besondere Verantwortung. Keinesfalls dürfen sie aus der Not junger Menschen Profit schlagen und durch abwertende Darstellung von fülligen Körperformen das Problem der Körperunzufriedenheit und psychischen Belastung junger Menschen fördern.“**Dr. med. Dagmar Pauli

Wenn ich mit meinen dicken Oberschenkeln und meinem großen Brauch in ein Fitness Center gehen möchte, dann will ich das auch ohne dumme Sprüche und Blicke machen können. By the way: keiner zwingt mich, mein Geld zu FitInn zu tragen, das investiere ich dann doch lieber dort, wo man mich auch wertschätzend behandelt. Darüber sollte auch einmal nachgedacht werden: „Der Mensch, der sich „einbildet“, dass die eigenen Kurven etwas Gutes sind, ist ebenso ein Wirtschaftsfaktor!“

Auch wir haben Macht, ihr lieben Menschen mit dicken Bäuchen, großen Oberarmen und breiten Schenkeln. So oder so, wir müssen uns das nicht gefallen lassen. Wir dürfen und sollen uns ärgern und nach Veränderung schreien. Damit Firmen wie FitInn Grenzen gezeigt werden.

Wertvoll sein als Problem

All das nützt aber gar nichts, wenn wir nicht begreifen, dass wir etwas wert sind. Dass wir alles wert sind. ALLES, nichts weniger. Wir sind ebenso kreativ oder unkreativ, schlau oder dumm, witzig oder auch nicht, großartig oder weniger fabelhaft. Diese Eigenschaften sind nicht gewichtsabhängig.

So sehr es mich auch ärgert, FitInn ist dabei nur ein Symptom eines Geschwürs, dass viel größer und weiter verzweigt ist, als öffentlich darüber debattiert wird.

Denn der Hass, der Menschen jenseits gesellschaftlich akzeptierter Körpernormen entgegen schlägt ist überwältigend. Ob auf offener Straße, im Fernsehen, in Magazinen oder auch – oft besonders schlimm – auf Social Media Kanälen und in Online Foren. Dicke Körper sind eine besonders beliebte Projektionsfläche für Hass und Ablehnung.

„Der wichtigste Ansatz, um das zu erklären, ist die Attributionstheorie. Bei vielen Menschen erhöht es den Selbstwert, wenn sie anderen die Schuld für das geben, was als negativ wahrgenommen wird. Es gibt viele Belege dafür, dass Menschen, die solche kausalen Zuschreibungen machen, Übergewichtige stärker ablehnen, stigmatisieren und diskriminieren.“ Prof. Dr. Anja Hilbert, PhD, Psychologieprofessorin, Uniklinik Leipzig***

Dass es für dicke Menschen dadurch nicht einfacher oder leichter wird sich für die eigenen Rechte, das Recht auf Akzeptanz, einzusetzen ist klar. Auch, weil die Ablehnung von Körpern, die als nicht normgerecht empfunden werden tagtäglich und vor allem auch im allgemeinen Sprachgebrauch zu finden ist. Eine Fitness Kette, die Menschen dabei verächtlich sagt, dass Body Positivity ein Blödsinn ist und Kurven falsch sind und die Zustimmung der öffentlichen Meinung zu diesen Aussagen, machen es umso schwerer.

Doch wir sollten das zum Thema machen. Denn nein, ich will mich nicht auf Schritt und Tritt beleidigen lassen. Das ist menschenverachtend und nichts weniger! Was meint ihr?

 

 

 

* Die Welt Artikel vom 13.4.2018, Interview mit Bethany Rutter:

https://www.welt.de/icon/partnerschaft/article175366091/Missbilligung-von-Uebergewicht-Alle-denken-Dicke-sind-ungluecklich-weil-sie-dick-sind.html

 

**Yes2bodies.ch:

https://www.yes2bodies.ch/gewichtsdiskriminierung/aktion-gegen-gewichtsdiskriminierung/statements-von-fachpersonen/?fbclid=IwAR0G2m2B7QyftfFge5LeCUn0t_a7nRsUsuvDSHRzriq3eJ4r0SFZ8WbL2w0

*** Die Welt Artikel vom 13.4.2018, Interview Prof. Dr. Anja Hilbert, PhD:

https://www.welt.de/icon/partnerschaft/article175366091/Missbilligung-von-Uebergewicht-Alle-denken-Dicke-sind-ungluecklich-weil-sie-dick-sind.html

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

Dein Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.