Aus der Öffentlichkeit verbannt, so fühlen sich dicke Menschen oft. Das ist übrigens keine Einbildung. Zwar sprechen „wir“ in der Community und unserer „Plus Size Bubble“ oft über Mode und die Repräsentation von dicken Menschen. Doch selten wird über dicke Menschen in der allgemeinen (medialen) Öffentlichkeit gesprochen. Darüber, dass es wenige dicke Vorbilder gibt. Darüber, dass es kaum dicke erfolgreiche Vorbilder gibt. Deshalb nehme ich heute die Verbannung von Plus Size Mode in Geschäften des schwedischen Moderiesen H&M zum Anlass, um das zu diskutieren.
Der Anlass
„Das ist Diskriminierung“, liest und hört man zur Zeit, wenn vom schwedischen Moderiesen H&M gesprochen wird. Denn die Aufregung war groß. H&M bietet Plus Sizes nicht mehr in seinen Geschäften an. Geshoppt werden kann die H&M+ Kollektion so nur noch online. Dies sorgt für Aufruhr und Unmut. Vor allem bei deutschen Plus Size Influencerinnen, die ihrem Ärger auch medial Luft machen.
Jetzt zu sagen, dass mich dieser Schritt von H&M überraschen würde wäre eine Lüge. Denn auch in Österreich beobachten wir seit Jahren, dass das Plus Size Angebot bei H&M aus den Regalen in Geschäften verschwindet. An dieser Stelle gehe ich nicht darauf ein, dass in Österreich die Medien weniger intensiv bzw. gar nicht darüber geschrieben haben..
Vielmehr möchte ich auf die Aussage zu sprechen kommen, die die Konzernleitung bezüglich des allgemeinen Unmuts gemacht hat:
„Bei H&M sind alle Kundinnen und Kunden willkommen. Wir schließen niemanden aus. Sowohl in den Geschäften als auch auf hm.com können wir allen unseren Kundinnen und Kunden eine große Auswahl an Kollektionen und Größen anbieten, von denen einige exklusiv online erhältlich sind“, so die H&M-Pressestelle.*
Man orientiere sich nach den Bedürfnissen der KundInnen. Diese würden eben zeigen, dass Plus Size mehr und mehr online gekauft wird. Deshalb dieser Schritt. Genau an dieser Stelle kommen wir doch zum eigentlichen Problem.
Die Öffentlichkeit
Denn es kommt zu tragen, was als allgemeines Problem gesehen werden kann, wenn es um große Größen, Plus Sizes, dicke Menschen geht: sie werden in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen bzw. wenn, nur in einem negativen Sinne. So wird der dicke Mensch zwar als Kunde/in für Diätpillen gesehen. Jedoch nicht als Zielgruppe für Mode, Lifestyle, Reisen, Möbel und mehr.
Das öffentliche „Schämen“ von Plus Sizes führt einerseits zu einem Rückzug von Menschen mit Konfektionsgrößen jenseits des Normierten. Daraus folgt andererseits, dass wir nicht als Zielgruppe wahrgenommen werden.
Gehe ich ein eine Filiale von H&M und suche nach Plus Sizes (nun, als es sie noch im Geschäft gab), gestaltet sich das wie die sprichwörtliche Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Denn die H&M+ Kollektion ist erst einmal nirgends zu finden. Dann ganz hinten, im letzten Winkel des Geschäfts taucht sie dann doch auf. Drei Regale, zwei Kleiderstangen, in und an denen Kleidungsstücke zusammengequetscht nebeneinander liegen und hängen. Schöne Präsentation, Fehlanzeige. Jemand, der sich mit dem Sortiment auskennt? Fehlanzeige!
Denn, wenn Fragen nach Größen gestellt werden, dann kommt schnell ein sehr fragender Blick von Seiten der H&M MitarbeiterInnen. Gut, um gerecht zu sein, Beratung ist hier ja allgemein nicht so das große Thema.
Es bleibt also zu sagen: in den hintesten Ecken versteckt, nicht sichtbar für alle anderen, das ist wohl kaum der richtige Platz für Plus Sizes um gesehen zu werden. Nein, sie werden eher versteckt.
Die Verbannung
Genau, versteckt. So kann keiner die größeren Größen finden und muss Plus Sizes auch nicht sehen. Aus den Augen, aus dem Sinn. Denn online, das ist der Platz wo wir hingehören. Nicht die Öffentlichkeit. Kehre ich zurück zum Thema H&M kann ich nur sagen, dass die interessanten Kollektionsteile der Plus Kollektion ohnehin nur online zu finden waren. In den Geschäften konnte ich diese Stücke nämlich nie finden.
Doch unsere Verbannung beschränkt sich ja nicht nur auf Moderiesen. Denn auch in der Desingerwelt kommen wir kaum bis gar nicht vor. Initiativen wie 11 Honoré oder einige talentierte Plus Size DesignerInnen nehmen sich Menschen mit größeren Größen zwar an, doch die Allgemeinheit ignoriert uns beständig.
Die Aktivistin Virgie Tovar hat diesbezüglich schon vor einiger Zeit einen interessanten Artikel für das Forbes Magazine geschrieben. Ein Zitat daraus:
“…very few, if any, stores carry their plus-sized merchandise in-store. There’s clearly a plethora of us out here, especially in a major city, so (stop with) that ‘there’s not enough of a demand’ (line). Traditional retailers just don’t want fat girls to be seen in their stores.”
-Karianne, New York**
Den Artikel verlinke ich unten, lesenswert.
https://www.instagram.com/p/B5voA9Yh991/
Die fehlenden Vorbilder
Doch hören wir auf „nur“ von Mode zu sprechen. Denn es geht nicht nur darum, dass Plus Sizes aus dem öffentlichen positiven Diskurs verschwinden, wenn es um Kleidung geht. Wie ich weiter oben schon kurz erwähnt habe, geht es doch eigentlich um viel mehr.
Oft frage ich mich, wo die dicken Vorbilder sind? Wo sind unsere Role Models? Ja, online gibt es immer mehr wunderbare Menschen, die sich für Plus Sizes, Körpervielfalt stark machen. Doch das überträgt sich nur langsam oder gar nicht auch in die breitere (no pun intended) Öffentlichkeit. Ich meine damit, dass es weder in Printmedien, noch im Fernsehen oder auf Kinoleinwänden ausreichend Vorbilder für uns gibt.
Menschen die uns zeigen, dass wir unsere Grenzen auch austesten können. Dass wir reisen können, Abenteuer erleben. Uns nicht immer fragen müssen, ob wir unangenehm auffallen, ob wir in der Öffentlichkeit essen dürfen. Wo bitte ist der dicke Star, der / die genüsslich in ihren Burger beißt? Powerd by whatever fast food chain in the world..;). Das ist jetzt nur ein Beispiel. Doch, warum nicht?!
Wo sind die dicken romantischen Filmheldinnen, die auf Pferden in den Sonnenuntergang reiten. Angeschmachtet von dem Liebhaber / der Liebhaberin. Wo ist die dicke Ärztin die Werbung für den Medizinberuf macht? Wo ist die dicke Richterin, die Karriere macht? Die Beispiele sind schier endlos.
Denn es gibt dicke Menschen in der Öffentlichkeit. Wir gehen einkaufen, verreisen, kaufen Möbel oder auch Autos. Wieso versteckt man uns, oder macht es vielen von uns so schwer den öffentlichen Raum einzunehmen der uns zusteht?
Es geht nicht nur um Mode, es geht um ein Gefühl, um Wertigkeit, um Verständnis, um Ansprache, um Akzeptanz und Gleichberechtigung. Mode ist hier ein kleiner Teil der wichtigen Öffentlichkeit. Es gibt so viel mehr. Zeit, dass das nicht nur uns klar wird!!!
Titelbild, Fotografin Ursula Schmitz
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