Gewichtsdiskriminierung am Arbeitsplatz mache ich am heutigen Tag der Arbeit zum Thema. Ein Thema, über das in Österreich noch viel zu wenig gesprochen wird. Denn dicke Menschen haben es beim beruflichen Ein- oder auch Aufstieg schwer. Dabei spielen gängige Vorurteile wie mangelnde Leistungsfähigkeit ebenso ein Rolle, wie ein angeblich für KundInnen nicht so ansprechendes Äußeres.
Nicht nur Theorie
Dass Diskriminierung aufgrund des Gewichts kein theoretischer Gedanke ist, sondern tatsächlich Realität haben mir auch einige eurer Nachrichten und Erfahrungsberichte gezeigt.
„Einen ganz konkreten Fall von Diskriminierung erlebte ich vor ca. 10, 11 Jahren. Ich habe mich damals in einer Galerie als PR-Assistentin vorgestellt. Als erstes wurde ich von oben bis unten gemustert und noch bevor ich mich hingesetzt habe, wurde ich gefragt wie oft ich denn Sport machen würde. Als nächstes sollte meine Mutter nicht so gut und viel kochen und noch ein paar weitere Spitzen an die ich mich nicht mehr genau erinnern kann. Ich habe mich wirklich unwohl gefühlt und war froh als es denn endlich vorbei war. Gott sei Dank hat sich die besagte Galerie niemals mehr bei mir gemeldet. Hätte mich ehrlich gesagt gewundert.“ Alex
Gewichtsdiskriminierung am Arbeitsplatz
Dicke Menschen haben Nachteile im Job. Hier handelt es sich nicht etwa um ein Gerücht. Dies zeigt auch eine Studie der Universität Tübingen aus dem Jahr 2012. Die Wissenschafter kommen zu dem Ergebnis, dass Personaler dickeren Menschen fast nie einen Job mit hohem Prestige zutrauen. Für eine Abteilungsleiterstelle wurden sie ebenfalls selten ausgewählt. Besonders betroffen waren demnach Frauen von den Vorurteilen.
„Ich habe nach dem zweiten Staatsexamen 120 Bewerbungen mit Foto verschickt und keine davon wurde beantwortet. Zeitgleich hatte die Arbeitsagentur mein Portfolio ohne Bild versendet und sofort 14 Rückmeldungen bekommen. Die haben gesehen, dass ich topqualifiziert bin, ein Einser-Abitur und hohen Arbeitseifer mitbringe. Zwölf der Arbeitgeber haben meinen Lebenslauf inklusive Foto bekommen und sich danach nicht mehr gemeldet. Und das, obwohl ich auf meinem Foto gar nicht schlecht aussehe. Aber man sieht halt, dass ich einen Doppelkinnansatz und gut gepolsterte Schultern habe. Man sieht, dass ich dick bin.“ *
Doch obwohl das Thema der Gewichtsdiskriminierung mittlerweile nicht mehr übersehen werden kann, gibt es für dicken Menschen kaum handhabe gegen diese Ungleichbehandlung am Arbeitsplatz. Dabei sind Menschen mit mehr Gewicht oft einem großen Leidensdruck ausgesetzt. So sehr, dass auch ihre Arbeit darunter zu leiden beginnt.
EuGH Urteil
Bereits die österreichische Tageszeitung „Kurier“ hat in einem Artikel aus dem Jahr 2014 den Missstand aufgezeigt, dass es keinerlei rechtliches Vorgehen gegen Gewichtsdiskriminierung am Arbeitsplatz in Österreich gibt:
„Wir haben im Gleichbehandlungsgesetz keinen Anknüpfungspunkt, wenn jemand wegen Dickseins diskriminiert wird“, sagt Günter Köstelbauer, Arbeitsrechtsexperte bei der Arbeiterkammer. „Wenn ich gekündigt werde, weil ich eine Wampe habe, ist das beleidigend, aber rechtlich nicht anfechtbar“, sagt er.*
So ist ein rechtliches Vorgehen gegen Diskriminierung aufgrund von Gewichts nur über Umwege möglich.
Behinderung aufgrund von Fettleibigkeit
Hier hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Dezember 2014 Fettleibigkeit als Behinderungsgrund eingestuft.
„Die europäischen Richter stellten klar, dass Fettleibigkeit zwar laut EU-Recht kein Diskriminierungsgrund ist. Allerdings kann Übergewicht unter bestimmten Umständen eine Behinderung sein – und behinderte Menschen haben in Europa ein Recht darauf, vor Diskriminierung geschützt zu werden. Arbeitgeber müssen Vorkehrungen treffen, um Behinderten die Teilnahme am Berufsleben zu ermöglichen – es sei denn, dies würde zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Arbeitgebers führen.“*
Doch der Schritt, Fettleibigkeit als Behinderungsgrund einzustufen ist nicht unumstritten. Denn während es einerseits so eine handhabe gegen Gewichtsdiskriminierung gibt, erfolgt so andererseits auch eine weitere Stigmatisierung von dicken Menschen.
Diskriminierung
Darüber hinaus greift das Gesetz erst sehr spät und auch nur bedingt. Denn was ist mit Mobbing aufgrund von mehr Gewicht? Was ist mit dem Nicht Einstellen dicker Menschen oder Arbeitskleidung, die nur in sehr begrenzten Größen erhältlich ist? Denn Diskriminierung beginnt nicht erst, wo massive körperliche Beeinträchtigungen entstehen.
Die Soziologie versteht unter Diskriminierung die Benachteiligung oder Herabsetzung anderer. Diskriminierung kann mit Demütigung, ungerechter Behandlung und/oder Entwürdigung einhergehen, das heißt, anderen wird ein geringerer Wert beziehungsweise weniger Geltung zugesprochen.
Dick, Dumm & Arbeitslos
Dabei sind vor allem Frauen von Gewichtsdiskriminierung betroffen.
„Laut Studien hätten es besonders übergewichtige Frauen am Arbeitsmarkt schwer. Manche Unternehmen setzten Übergewichtige nicht im Kundenkontakt ein und bei Gehaltszulagen und Beförderungen würden Fettleibige oft übergangen. Ein BMI über 25 oder 30 sei heute ein grundlegender Hinderungsgrund, um Karriere zu machen. Auch Gegenbewegungen der letzten Jahre wie etwa #bodylove änderten nichts daran.“*
Ganz im Gegenteil, zeigt doch eine Studie der Harvard University, publiziert im Januar diesen Jahres, dass sich Vorurteile gegenüber dicken Menschen in den letzten Jahren sogar noch verstärkt haben. Dabei sind es gerade diese Vorurteile, diese Meinungen, die das Bild dicker Menschen in der Öffentlichkeit und im Berufsleben prägen und sich so nur weiter reproduzieren. Das hat Folgen für die Betroffenen und begleitet Diskriminierte oft für sehr lange Zeit oder auch ein ganzes Leben lang.
„…Bis heute verfolgt mich diese Person ein bisschen – nicht mehr der negative Beigeschmack – aber trotzdem in Momenten wo ich Dinge tue die in diesem Gespräch erwähnt wurden kommt immer wieder ein „siehst du du blöde Funsn und wie ich das kann“. Ich hoffe, dass auch das eines Tages verschwindet, weil ich eigentlich gerade so jemandem bewusst nichts beweisen will – aber das Unterbewusstsein braucht da noch ein paar Jahre.“ Anna B., Krankenschwester
Mobbing, Vorurteil & Öffentlichkeit
Doch was tun? Was ist die Lösung um dicken Menschen den Einstieg in die Arbeitswelt oder auch den Aufstieg zu ermöglichen? Meines Erachtens ist auch hier Sichtbarkeit ein ganz wesentlicher Punkt.
Dabei geht es nicht nur um diversere Körperbilder in den Medien, in Fernsehen oder auch in Zeitschriften. Es geht ebenso um Sichtbarkeit im Alltag, bei Veranstaltungen. Vorurteile lassen sich leider manchmal nur sehr langsam abbauen. So ist das Bild der dicken Akademiker, der dicken erfolgreichen Businessmenschen, der dicken KünstlerInnen, noch viel zu wenig in den Köpfen der Menschen verankert.
Das liegt wohl auch daran, dass sich im deutschsprachigen Raum die Akzeptanz von Menschen mit höherem Gewicht zur Zeit nur auf den Modebereich beschränkt. Plus Size ist das Wort der Stunde und beschreibt doch nur einen sehr kleinen und begrenzten Bereich. In dem auch lange nicht alle Größen gleich vorhanden sind.
Doch es gibt soviel mehr worüber gesprochen werden sollte. Denn dicke Menschen wollen nicht nur ein Anrecht auf mehr Kleidungsangebot haben. So lange wir allerdings in der ewigen Debatte über Gesundheit verharren und uns nicht darüber hinaus mit neuen Körperbildern und dickeren Menschen beschäftigen, wird es bei etwas mehr an Kleidungsangebot bleiben. Die wirklich großen Probleme werden so natürlich nicht angegangen.
Vielen Dank, an alle die mir Nachrichten geschrieben haben und mir ihre Leidensgeschichte im Beruf erzählt haben. Einige Beispiele habe ich im Text zitieret oder auch im restlichen Text eingebaut. Danke für euer Vertrauen und dass ihr eure Geschichten teilt!
* https://www.zeit.de/arbeit/2018-11/mobbing-arbeitsplatz-uebergewicht-rechtsanwaeltin
*https://kurier.at/wirtschaft/karriere/schoen-steigt-auf-dick-bleibt-joblos/75.911.206