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Als Plus-Size noch Molly-Mode war (II)

In Teil I des Interviews mit dem ehemaligen Plus-Size-Laufsteg-Model Andrea haben wir über ihre Entdeckung als Model und den damaligen Arbeitsalltag gesprochen. Heute könnt ihr mehr über ihre Einstellung zu ihrem Körper und was sie Frauen die Plus-Size-Model werden möchten mit auf den Weg gibt lesen.

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Ich verstehe, könnte es sein, dass das ein „Generationenproblem“ ist? Also das Frauen ab einem gewissen Alter eher kaschieren und „jüngere“ Frauen eher sagen: „Wir sind so wie wir sind.“

Das ist möglich, aber bei mir war das immer schon so, auch als ich jung war.

Heute bin ich 53 und das wird sich auch nicht mehr ändern.

Das ist eine Wohlfühlgeschichte, mit dem Enganliegenden kann ich nicht. Meine Oberteile müssen locker über Bauch und Hüfte fallen. Auch ich habe Fehlkäufe in meinem Kleiderschrank die ich nie anziehen würde, weil das Teil hinten etwas am Gesäß anliegt. Jemand der figurbetontere Sachen trägt würde das wahrscheinlich nicht verstehen, aber ich fühle mich einfach nicht wohl. Es ist vielleicht übertrieben, aber das ist in mir drinnen und ich kann und will auch nicht anders.

Auch zu meiner Laufstegzeit haben wir nichts Enganliegendes getragen. Das war nicht der Modegeschmack. Das war wirklich eine andere Zeit.

Ist das eine Erziehungssache, eine Sache der Zeit in der du aufgewachsen bist?

Meine Eltern haben mich sehr geliebt aber meine Figur war immer ein Thema. Meine Mama war auch dick und sie wollte es bei mir halt absolut nicht akzeptieren. Da hat es heiße Diskussionen und manchen Krach gegeben.

Eine andere Zeit in der, der Begriff Molly-Mode in war, den Begriff Plus-Size gab es da nicht?

Nein, den Begriff Plus-Size gab es damals nicht, Molly Mode war die Bezeichung. Plus-Size hat niemand gesagt.

Molly klingt ein bisschen niedlich, wurde es auch so gesehen?

Nein, ich glaube wir waren schon alle sehr selbstbewusste Frauen. Wir waren ja die ersten die das gemacht haben. Am Anfang haben wir uns schon gefragt wie wird die Reaktion sein. Es gab schon auch Männer im Publikum die gemeint haben: „Boah, schau dir die Cellulite an…“ So ganz ohne war es nicht, das hat schon Selbstbewusstsein gebraucht.

Wir hatten eine Kollegin, die hatte sehr starke Oberschenkel und hat mit einer Selbstverständlichkeit Unterwäsche und Strapse präsentiert, der hat das ganz und gar nichts ausgemacht. Sah auch gut aus. Ich hätte das nicht so gekonnt, obwohl ich „schlankere“ Beine hatte.

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Du mochtest deinen Körper zu der Zeit?

Ich liebe mich als Mensch, meinen Körper in all seinen Facetten nicht unbedingt so ganz.

Das war auch schon zu dieser Zeit so.

Dass ich mich vor den Spiegel stellen könnte und sagen würde: ja ich liebe mich bedingungslos mit jeder Delle auf meinem Oberschenkeln und mit meinem Bauch, das kann ich nicht hundertprozentig sagen.

Aber wer kann das schon! Ich wäre sicherlich gerne etwas schlanker. Nicht schlank, das weiß ich das würde nicht gehen, denn mit hautstraffenden OP’s habe ich nichts am Hut. Aber so 20 Kilo weniger hätte ich schon gerne wieder. Da habe ich mich wohler gefühlt. Mal sehen.

Obwohl ich mich oft früher deutlich schlanker gefühlt habe als ich in Wirklichkeit war.

Was heißt das genau?

Eine zeitlang habe ich das „Dick Sein“ komplett verdrängt, wenn ich mich da auf Fotos gesehen habe, war ich immer überrascht und dachte: „Das gibt’s nicht, das bin ich, ich bin ja eigentlich viel schlanker, das kann nicht sein.“ Ich habe mich nie so dick wahrgenommen wie ich wirklich war. Dazu kommt halt auch, dass ich einen Partner hab, der mich genau so liebt und mag wie ich bin. Ich habe mich die letzten 25 Jahre kaum verändert. Mein Mann hat mich so kennengelernt und liebt mich so. Er hat noch nie gesagt, jetzt pass aber auf und iß nicht mehr…

Dann ist es aber nicht, dass du auf den Laufsteg gegangen bist und dir gedacht hast, ich bin 100%-ig richtig und es passt alles genau so?

Nein, das habe ich mir nie gedacht. Ich habe mir gesagt, das ist ein Spaß und da bin ich voll dabei!

Wie ist man eigentlich, wenn man schlank ist?

Diese Frage kann dir nicht beantworten. Ich war mein ganzes Leben noch nie schlank.

Ich kenne Frauen, die stark abgenommen haben und sich dann selbst nicht mehr erkannt haben und damit Probleme hatten und wieder zugenommen haben.

Kenne aber auch einige die nach Ernährungsumstellungen oder Operationen heute schlank sind und überglücklich.

Dann ist Gewicht Identität?

Wohl nicht.

Gewicht ist eine Herausforderung in jede Richtung. Wie schon vorhin gesagt kann es sein dass man durch Gewichtsverlust glücklicher wird oder das Gegenteil eintritt. Ist für mich keine Frage der Identität eher eine Frage der Akzeptanz.

Ich akzeptiere mich so wie ich bin, aber es wäre gesünder für mich, wenn ich leichter wäre.

Ich bin nie dem Ideal „ich muss schlank sein“ hinterher gelaufen, weil ich weiß, das bin nicht ich.

Glaubst du, kann jedes Plus-Size Mädel Model werden?

Ich bin überzeugt das kann jeder, der ein Taktgefühl und Freude an der Bewegung hat. Wenn du kein Gefühl hast, dann schaut es nicht gut aus. Du musst Freude an der Musik haben, an der Bewegung. Wenn du gehst als hättest du einen Stock verschluckt, dann sieht das auch mit einer Kleidergröße 36 nicht gut aus.

Wir wurden damals so ausgesucht:

Wir durften nicht kleiner sein als 1,70m und wir mussten ein hübsches Gesicht haben. Bei uns gab es keine in der Gruppe, die nicht ein hübsches Gesicht gehabt hätte.

Ich beschäftige mich sehr viel mit Make-up und Make-up Tutorials. Wenn du da siehst wie unscheinbar manche Frauen sind, bevor sie geschminkt sind und nach dem Styling sehen sie super aus. Man kann aus jeder noch so unscheinbaren Frau eine attraktive Erscheinung machen, darum sehe ich da eigentlich kein Problem warum nicht jeder der es möchte oder dem es Spaß macht nicht auch modeln sollte.

Es ist einfach eine andere Szene du kannst Plus-Size nicht mit den „Schlanken“ vergleichen. Natürlich gibt es auch bei den Schlanken einige Models die über 60 und älter sind, die heute fallweise dabei sind.

Das hat es zu meiner Modelzeit nicht gegeben, aber trotzdem ist unser Klientel bei den Modeschauen heute (bei denen Andrea heute als Modeltrainerin tätig ist, Anm. der Rede) doch eher ein bisschen älter. Die Zielgruppe ist noch nicht 20, sondern älter.

Warst du auch bei Model-Castings?

Ich hatte eine Setcard, die ich auch bei einer anderen Modelagentur aufliegen hatte. Aber darüber ist nicht soviel gelaufen. Das war damals aber noch anders, auf dem freien Markt hat sich für Übergrößen-Models noch nicht wirklich jemand großartig interessiert.

Ihr wart eher immer die gleiche Gruppe und habt in ganz Österreich gemodelt?

Ja das kann man so sagen. Wir waren damals auf großen und kleinen Modeschauen, was halt an Aufträgen reingekommen ist. Wir waren bei den Mode-Einkäufern, auf Messen, auf der La Donna, Ana Grand Hotel, Wiener Börse etc.

Einmal hatten eine Kollegin und ich eine Modenschau mit „schlanken“ Profi Models aus Mailand im Ronacher (Theater in Wien, Anm. der Rede). Wir sind damals extrem gut angekommen.

Gab es damals Haute-Couture-Mode für Plus-Size?

Nein, daran könnte ich mich nicht erinnern. Boutique-Mode von Wille, Gaccia, Chalou und die, die wir heute noch kennen.

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Liebe Andrea, vielen vielen Dank für deine Zeit. Es war toll mit dir über deine Zeit als Model sprechen zu dürfen, wir sehen uns beim Training für die nächste Modenschau ;).

Ich liebe Mode – schon immer, bin kurvig seit ich mich erinnern kann und kann heute mit Fug und Recht behaupten, dass ich mich mag. Die Plus Size Welt ist bunt und vielfältig. Das möchte ich zeigen und habe deshalb nach Jahren in der PR-Branche beschlossen, jetzt nur noch PR für Curvect zu machen.

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